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Thema: Endlich ist das Ding gepackt! Nach 35 Jahren nochmal ein Solo mit Rucksack

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  1. #1
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    Das läßt sich wieder sooo schön lesen und Erinnerungen hochkommen.
    Danke dafür, Belgofritz
    LG Dorad

  2. #2
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    Vielen Dank für hoffentlich eine never ending story :) Im September fahren wir auch mit dem Bus ab Iraklio über Vrisses nach Chora Sfakion , ich bin gespannt .
    Η Κρήτη βρίσκεται στην καρδιά μου

  3. #3
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    Oh ja, das ist schon ein kleines Abenteuer, habe ich vor einigen Jahren auch mal gemacht.
    In Irakleio weg so gegen 9.30 Uhr, in Frangokastello an gegen 17.00 Uhr, aber Klasse wars.

    Schönen Gruß hermann
    Ist noch λ ? Ja, aber das φ ist noch ρ !

    Alle Infos über Frangokastello:http://www.Frangokastello-und-Meehr.de
    Unser aktueller Reiseblog:http://www.HerrMANaufReisen.wordpress.com

  4. #4
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    Ich versuche, meinen Bericht jetzt etwas zu straffen und bald zum Ende zu kommen, da ich in 1 Woche wieder auf Kreta bin (für 3 Wochen) und dann bestimmt keine Lust mehr habe, über das vergangene Jahr zu schreiben. Durch meine Echtzeit-Schilderung habe ich mich doch ziemlich im Detail verloren und kann es selber kaum glauben, dass ich gerade mal erst seit einer Woche unterwegs war. Wenn ich diesen Schreib-Rhythmus also beibehalten würde, dann bräuchte ich hochgerechnet noch einige Jahre, um fertig zu werden. Das Problem ist, dass ich jedes Mal, wenn ich Zeit und Lust habe, weiterzuschreiben, mindestens eine halbe bis ganze Stunde brauche, um anzufangen und einzutauchen. Wenn ich dann wirklich drin bin, läuft der Film in der Tat fast in Echtzeit ab und ich muss zusehen, dass ich mich nicht verzettele. Und das Aufhören fällt dann umso schwerer.

    Ankunft in Chóra Sfakíon

    Beim Entladen des Gepäcks aus der Seitenklappe des Busses lasse ich einem einheimischen Mann den Vortritt, der ein riesiges, grob verschnürtes Paket aus der Ladefläche rauszieht. Die Busse fungieren wohl auch als Paketzustelldienst für die abgelegeneren Orte. (Ich diesem Moment weiß ich noch nicht, dass genau dieser Mann ganz zufällig mein Vermieter für die ganze Woche sein wird).

    Von früheren Kurzbesuchen habe ich nur die Promenade in Sfakiá in Erinnerung, wo man durch eine Tavernengasse hindurch geht, links die am Ufer gelegenen, überdachten Terrassen, rechts die Tavernen mit den Speisekartenständern und den verlockenden Auslagen in den Vitrinen, aus denen einen so manches, mehr oder weniger, appetitliches Meeresgetier anlacht (für meinen Geschmack eher mehr). Der optische Eindruck von dem Örtchen war jedenfalls damals schon nicht schlecht.
    Den Spießrutenlauf tue ich mir jetzt aber nicht an, weil man an jeder Taverne von den eigens hierzu auserwählten Bediensteten angebaggert wird, um doch bitte Platz zu nehmen. Typisch für alle größeren Orte mit viel Tagestourismus, nicht nur auf Kreta.
    Ich gehe durch die ruhige Parallelgasse durch den Ort, die am Ende wieder leicht ansteigt und komme die auf einen schönen, mit Naturstein gepflasterten Platz mit einer weit ausladenden Platane und Holztischen und -stühlen. Er wird von einem ziemlich gepflegt aussehenden Gästehaus dominiert, ich glaube Stávris, gehe rechts vorbei Richtung Ortsausgang und habe dort wieder Blick aufs Meer. Hier bleibe ich erst mal stehen und mache mein besagtes, erstes Selfie.
    Ich hatte mich schon etwas im „Fohrer“ schlau gemacht, wie es hier mit Unterkünften aussieht. Das „Stavris“ machte einen guten Eindruck, aber vielleicht zu gut, ich denke dann immer: „Nee, das ist zu fein und bestimmt teuer...“ und so einen Blödsinn, weil ich immer noch von den kleinen, alten Privat-Unterkünften träume, wo man die kretische Gastfreundschaft noch immer am meisten genießen kann, und die Oma einem nach dem Aufstehen, wann auch immer, die frischen Feigen oder Honigmelone auf einem kleinen Tellerchen serviert....

    Aber auch die etwas besser aussehenden Häuser bieten durchaus günstige Zimmer an, auch für Alleinreisende. Und da Chóra Sfakíon sich zu einem Tagesausflugsziel entwickelt hat, sind die Häuser auch froh, Ihre Zimmer möglichst erst mal vermietet zu haben. Der Preis-Schnitt liegt, ganz grob gesagt, zwischen 25 u. 50 €, je nach Personenanzahl (und damit Größe), Auslastung und vor allem Aufenthaltsdauer. Die Verhandlungsspanne liegt im Schnitt bei 5-10 €, je nach Symphatie und Geschick, und natürlich daran, ob man überhaupt handeln will. Denn gegen das Preisniveau ist m.E. eigentlich nichts einzuwenden. Und es ist deshalb nicht höher, weil die Pauschalurlaubsangebote den Pensionen und Privatvermietern das Leben schwer machen. Und wenn du richtig rechnest, kostet der Urlaub auf „eigene Faust“, d.h. mit Transfer und sonstigen Mobilitätskosten und Verpflegung, insbesondere täglich Essen gehen etc. genauso viel, wenn nicht mehr (Das, aus der Sicht eines End-Fuffzigers, der sich mal was gönnen will. Es geht natürlich auch viel günstiger, wenn man weniger Ansprüche stellt, oder diese ohnehin schon durch die Natur in jeder Hinsicht befriedigt werden, so wie bei jungen, frisch Verliebten und anderen Nicht-Verdorbenen.

    Die Taverne „The Three Brothers“ liegt am Ende des Ortes oberhalb der Badebucht „Vrissi“ . Ich hatte im Reiseführer gelesen, dass diese schön gelegen sei und auch Apartments vermietet, und gehe dahin. In der Taverne nehme ich Platz und bestelle was. Der Wirt ist der Mann, den ich beim Ankommen am Bus getroffen hatte. Ich frage ihn nach einem Zimmer und er setzt zunächst mal eine ernste und nachdenkliche Mine auf. Nach wenigen Minuten kommt ein junger Mann, ca. Anfang 20 mit hellen Haaren und einem Schlüssel in der Hand und meint, ich solle mitkommen. Wir gehen zu einem Haus ca. 30 Meter hinter der Taverne einige Treppen hoch und er zeigt mir ein sehr sauberes und gut ausgestattetes Zimmer, was mir, angesichts der zuletzt gehabten Unterkunft, schon als Luxus erscheint. Ein Kühlschrank und ein großer Balkon mit Meerblick, nicht frontal, aber nach rechts rüber, und ein geräumiges, neuwertiges Bad mit Dusche. Ich sehe sofort, dass das mein Zimmer sein wird. Mit dem Jungen spreche ich nur wenig, und wenn, dann Griechenglisch. Eine Kocheinrichtung gibt es auch in diesem Zimmer nicht, weshalb ich ihm sage, dass ich nur noch einen Camping-Gas-Kocher benötigte. Er sagt mir, dass ich alles Weitere mit dem Patron besprechen müsse.
    Wir gehen zurück zur Taverne und ich signalisiere dem Chef, dass ich das Zimmer gerne zunächst einmal für 5 Nächte mieten würde, möglicherweise auch noch etwas länger. Die Preisverhandlungen sind relativ schnell erledigt, er sagt 35 €, ich setze mein schmerzverzerrtes Gesicht auf, er sagt 30 € last price, ich sage ok. Mein Sonderwunsch mit dem Gaskocher geht auch klar, da Kaffeekochen nunmal ein Grundbedürfnis ist und für Griechen nur allzu verständlich. Er wird ihn mir besorgen. Ich bekomme den Schlüssel und gehe zurück zu meinem Zimmer, wo ich mich erst mal einrichte.
    Zurück in der Taverne setze ich mich erst mal an einen Tisch mit Blick über die schöne Badebucht, bestelle mir was und lasse die neue Umgebung auf mich wirken. Die Bedingungen sind optimal. Im Urlaub versuche ich immer, möglichst ein Zimmer in dirketer Strandnähe zu bekommen, um morgens nach dem Aufstehen und vor dem Frühstück, zunächst mal nur mit Badehose und Handtuch bekleidet, wenige Meter zum Meer schwimmen gehen zu können. Das ist für mich der pure Luxus, und ich ziehe es jederzeit dem Aufenthalt in irgendeinemeinem Wellness-Tempel vor.

    Nachdem ich meine Unterkunft direkt komplett bezahlt habe, gehe ich zunächst mal wieder aufs Zimmer, da mir eine alte Frau, wahrscheinlich die Mutter von Jannis, dem Tavernenwirt, noch den Gaskocher mit neuer Kartouche und eine große Kaffeetasse mit 2 Löffelchen in die Hände gedrückt hatte. Evkaristó polí!
    Danach gehe ich zu einem kleinen Mini-Market im Ort, um mich mit den wichtigsten Lebensmitteln für Frühstück und Zwischenmahlzeiten einzudecken und spaziere noch was durch den Ort.
    Den Tag lasse ich langsam ausklingen und gehe abends in der Taverne „Nikos“, am Anfang der Promende aus Richtung Hafen kommend, noch was essen. Der Kellner, der auch vor dem Lokal um Kundschaft wirbt, überschlägt sich fast vor Freundlichkeit. Ich bleibe noch lange hier sitzen, trinke noch was und gehe erst, als das Lokal geschlossen wird.
    Ich habe zwischendurch beschlossen, die nächsten Tage im Wechsel von Wellness-Tag am Strand und Wandertag zu verbringen. Morgen gehts' erst mal zum Strand.
    Geändert von belgofritz (16.August.2017 um 10:10 Uhr)

  5. #5
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    Kalispera Kurt, es ist dir gelungen, für deine Verhältnisse hast du den Artikel ganz schön gestrafft.

    Zitat Zitat von belgofritz Beitrag anzeigen
    [I]
    Den Spießrutenlauf tue ich mir jetzt aber nicht an, weil man an jeder Taverne von den eigens hierzu auserwählten Bediensteten angebaggert wird, um doch bitte Platz zu nehmen. Typisch für alle größeren Orte mit viel Tagestourismus, nicht nur auf Kreta.
    oh wie ich das hasse. Gehe grundsätzlich bei diesen Lokalitäten weiter. Deswegen gefällt mir Chora Sfakion auch nicht mehr besonders. Zum Glück sind das aber nur eine handvoll Orte auf der Insel. Es gibt auch größere touristische Orte wie Agia Galin wo man von dieser Unsitte verschont bleibt.

    Mal schauen was du noch so erlebt hast in Chora Sfakion.

    vg, kv

  6. #6
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    Hallo Belgofriz,
    schön, daß du den Reisebericht vor deinem nächsten Urlaub noch schreibst.Er ist wieder so schön zu lesen und ich erkenne alles im Ort wieder-
    Ich hoffe, es gibt noch viele dieser Art, vielleicht auch von deinem nächsten Urlaub.
    LG Dorad

  7. #7
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    1. Strandtag, Vrissi-Bucht

    Ich habe bestens geschlafen und frühstücke zufrieden auf meinem Balkon. Auf meinem Nachbarbalkon sitzt ein ruhiges Paar, ca. 30, auch beim Frühstück. Wir sind durch ein relativ hohes Mäuerchen getrennt, sodass man sich nicht direkt auf der Pelle sitzt.
    Während der nächsten Tage bekomme ich immer wieder Gesprächsfetzen der beiden mit und rätsele angestrengt, welche Sprache sie sprechen. Ich tippe auf was Skandinavisches, was zu den hellhäutigen Leuten auch passen würde, werde es aber bis zum Ende nicht erfahren. Small-talk ergibt sich die nächsten Tage nicht.

    Nach der obligatorischen Morgentoilette gehe ich gegen Mittag zum Strand.
    Ich erwähne die Toilette hier nur deshalb, weil es sich bei diesem WC mal wieder um ein ganz besonderes Exemplar handelt. Griechische Toiletten sind nie „normal“. Die WC's sind immer so montiert, dass man die Klobrille nicht hochklappen kann, ohne dass sie wieder runterfällt, d.h., dass sie senkrecht am Spülkasten stehen bleibt, z.B. zum Saubermachen (natürlich nicht zum Stehpinkeln:-)).
    Auffällig ist auch, dass die Spülung entweder garnicht funktioniert, oder nur mit so wenig Wasser und so schwach, dass man 5 Mal nachspülen muss. Oder sie ist dermaßen übertrieben stark, dass man Angst bekommt, mit abgezogen zu werden. Letzteres ist hier der Fall. Einen solch sturzbachartigen Spüldruck mit Unmengen von Wasser habe ich noch nie gesehen und mit einem Lärm, dass ich jedesmal beim Abziehen befürchte, dass alles auseinanderfliegt und das Apartment geflutet wird.


    Am Strand in der kleinen, von Felsen eingerahmten Bucht, ist noch nicht viel los, und es sind auch hier Sonnenschirme mit Liegen aufgestellt. Ich suche mir wieder ein schönes Plätzchen mit Liege und Schirm und Frontalblick über das Libysche Meer Richtung Afrika. Nach einer Weile kommt ein junges, sehr hübsches Mädchen vorbei und kassiert 4 Euro für das Strandset. Ich wechsle noch ein paar Worte mit ihr, sie ist Studentin aus Bulgarien und verdient sich hier in den Semesterferien etwas Geld mit dem Strandsetverleih.
    Gut finde ich, dass sie jedem Strandresidenten einen mit Sand gefüllten Plastikbecher als Aschenbecher bringt, mit dem freundlichen Hinweis, die Kippen doch bitte darin auszudrücken. Selbst ich als Raucher finde die Massen an Filterzigarettenstummeln, die achtlos im Sand oder Kies zurückgelassen werden, ziemlich fies.
    Der grobe Kiesstrand ist leidlich gut besucht, nicht überfüllt und wunderbar zum Relaxen. Ich habe W-Lan von meiner 10 Meter steil über mir liegenden Haustaverne „The Three Brothers“, lese, döse, schwimme, rauche, schlafe, und das den Rest des Tages. Auf meinem Handy habe ich meine Lieblingsmusik gespeichert und 2 Sprach-CDs mit Griechisch-Lektionen aus meinem Volkshochschulkurs. Ich bin noch nicht dazu gekommen, getrennte Ordner in meinem Samsung S 4 mini dafür anzulegen. So kommt es, dass ich bei der Zufallswiedergabe von Musiktiteln über Kopfhörer immer wieder überrascht werde, wenn z.B. auf Jimi Hendricks “Little Wing“ ---- Máthima Pénde “Níco échi Jenéthlia“ (Lektion 5, Nico hat Geburtstag) auf Griechisch folgt. Der Kontrast ist hart, aber so verbinde ich dann das Angenehme mit dem Nützlichen und trainiere das „Spontanverstehen“.

    1. Wandertag, von Sfakiá nach Loutró

    Mein erster Ausflug soll an der Küste entlang nach Loutró gehen, wovon ich schon soviel gehört habe, aber noch nie gewesen bin. Ich will es mir wenigstens mal anschauen und eine Vorstellung von dem ursprünglich so verträumten Fischerdorf bekommen, welches nur zufuß oder über das Wasser zu erreichen ist. Und ich mache es jetzt, weil ich in ein paar Jahren womöglich vor einem Schild stehe: „Wegen Überfüllung geschlossen“.
    Zurück nach Sfakiá fahre ich dann mit der Fähre, ich kenne zwar den Fahrplan nicht, aber irgendwie komme ich irgendwann schon zurück.
    Ich gehe von meinem Zimmer aus direkt hoch durch das Dorf in Richtung der weit oben verlaufenden Küstenstraße nach Anópolis mit der Gewissheit, dass es einen Trampelpfad hoch auf die Straße geben muss. An einem Apartmenthaus oben am Ortsrand frage ich eine Griechin nach dem Weg und sie sagt, dass ich nur durch den überdachten Eingangsbereich des Hauses durchgehen müsse und da wäre dann auch schon der Weg.

    Ich finde es immer wieder toll, wie selbstverständlich viele Wege über Privatgrundstücke und durch Wohnhäuser führen, und dass jeder sie benutzen kann. Trotz Expansion und reger Bautätigkeit wird sinnigerweise noch darauf geachtet, dass ursprüngliche Zuwegungen und Abkürzungen nicht einfach zugebaut und abgeriegelt werden dürfen. In der Tradition der alten (Berg-)Dörfer, wo man oft das Gefühl hat, durch die Wohnbereiche der Bewohner hindurchzugehen, und das Ganze wie ein einziges Wohn-Labyrinth wirkt.

    Durch ein paar offene Gittertörchen hindurch kraxle ich über einen ausgetrampelten, steinigen Weg den verdorrten Berghang hoch auf die Straße. Ich gehe links die Straße entlang ca. 1 km bis zur ersten 180 ° Kehre, wie es im „Foher“ beschrieben steht. Die Straße steigt leicht an und der Blick über die gesamte Bucht von Sfakiá wird immer grandioser. Ich komme noch an einem Abzweig links zum Meer runter vorbei, wo sich eine weitere, ruhige Badebucht mit Gästehaus, beides namens Ilíngas, befindet. Die gleichnamige Schlucht führt gegenüber rechts hoch durch die Berge und soll zu einem verlassenen Dorf namens „Mourí“ führen.

    An der Spitzkehre angekommen, gehe ich links von der Straße ab auf den steinigen Weg im Berghang, von dem es teilweise ganz schön steil nach unten geht. Obwohl dieser Pfad zum E4-Wanderweg gehört, darf man ihn sich nicht als gut ausgebauten Weg vorstellen. Man muss ihn eher suchen, denn er hebt sich von Felsen und Geröll kaum ab. Durch die starken Regenfälle im Winter wird er wohl auch immer wieder verschüttet, und es sorgt bestimmt niemand jedes Frühjahr dafür, dass er wieder ordentlich frei geräumt wird. Das müssen die Wanderer dann schon selber machen oder drüber kraxeln.
    Ich stelle fest, dass ich heute nicht gerade der Fitteste bin und ich muss ganz schön aufpassen, nicht abzuschmieren. Grund dafür ist mit Sicherheit die nicht unerhebliche Menge an Retsina und Raki, die ich mir gestern abend genehmigt habe. Mein Mund und Rachen sind vollkommen ausgetrocknet, und ich müßte eigentlich so eine Standleitung mit Wasser in meinem Daypack haben, worauf ich beim Kauf meiner Ausrüstung aber verzichtet hatte. Und ganz Schwindelfrei bin ich heute auch nicht, aber da muss ich jetzt durch.
    Nach ca. einer guten halben Stunde Stolperns, sehe ich von Weitem mein Zwischenziel, den „Glikanéra“-Strand. Kurz bevor ich ihn erreiche, muss ich aber nochmal richtig über riesige Felsbrocken klettern, die hier abgegangen sind.
    Ich hatte im „Fohrer“ gelesen, dass der Strand an der Ostseite der Bucht vor einigen Jahren durch einen Bergrutsch verschüttet worden ist und 2 Touristen dadurch zu Tode gekommen sind. Der Strand wird auch von vielen Wildzeltern genutzt.
    Die Bucht hat ihren Namen von „glikós-süß“ und „neró-Wasser“, da hier unterirdische Süßwasserquellen entspringen
    Nassgeschwitzt und erschöpft erreiche ich den Strand und bin im Zwiespalt, ob ich jetzt sofort ins Wasser renne oder erst mal bis zum Ende des Strands in die kleine Taverne, die als Pfahlbau ins Wasser gebaut und über einen kleinen Steg zu erreichen ist. Ich entscheide mich für das Zweite und gehe dorthin, weil ich unbedingt in den Schatten muss. In dem gut besuchten „Strandpavillon“ angekommen, setze ich mich an einen langen Holztisch in der Mitte und warte auf die Bedienung. Am Tischkopf sitzt eine schwarz gekleidete, ältere Frau mit weißen Haaren, die meinen Zustand sofort erkennt. Sie scheint die Mutter des Familienbetriebs zu sein und signalisiert dem ebenfalls ganz in schwarz gekleideten, jungen Wirt, der alle Hände voll zu tun hat, dass bei mir Versorgungsbedarf bestehe. Er fragt, was ich wünsche, und ich bestelle mein traditionelles Herrengedeck, welches ich in solchen Extremsituationen aus medizinischen Gründen bevorzuge: Eine große Flasche Wasser, eine Cola und ein Bier. Kommt sofort!
    Er geht natürlich davon aus, dass bei dieser Bestellung gleich meine Begleitung nachkommt.
    Ich halte mich ca. eine dreiviertel Stunde hier auf, gleiche meinen Elektrolythaushalt aus und beobachte das rege Geschehen in der Taverne, in der auch typisch kretische Tagesgerichte angeboten werden. Das Publikum besteht hier aus einer bunten Mischung von „Normal“-Touristen, Strandschönheiten in aktuellster Bademode (solche, die quasi unsichtbar ist), und Rasta-gelockten (Neo)-Hippies.
    Auf dem Meer sehe ich einige Ausflugsboote, die die Strandgäste anschippern oder abholen. Die ganze Bucht mit der steil aufsteigenden Bergwand zählt zu den schönsten Badebuchten, die ich bisher auf Kreta gesehen habe, und der Strand ist ziemlich gut besucht, obwohl er nur über das Wasser oder über lange Schotterwege zu erreichen ist.

    Als ich bezahlen will, fragt mich der Wirt, wieviele Personen ich sei (frei nach Precht: Wer bin ich, und wenn ja, wie viele). Ich sage zwar, dass ich alleine sei, dennoch kommt er gleich mit einer kleinen Karaffe Rakí an, stellt sie mit 2 Gläschen hin und prostet mit zu. Jamas! Die Mutter sitzt nach wie vor mit zufriedenem Gesichtsausdruck am Tisch und auf meine Frage hin, wie weit es noch zufuß nach Loutró sein, sagt sie mir, noch eine knappe Stunde. Das passt! Von dem Rakí genehmige ich mir immerhin die Hälfte, und dann gehe ich runter zum Strand baden. Ich will mich nicht lange aufhalten, deponiere meine Klamotten auf einer freien Liege direkt am Wasser und genieße ein unglaublich wohltuendes und erfrischendes Bad. Das Wasser ist zumindest im Uferbereich tatsächlich süß und sehr weich, und mir fällt auf, dass die Kieselsteine am Strand und im Wasser viel bunter sind als sonst und in allen Farben wie Halbedelsteine aussehen, besonders unter Wasser. Hängt womöglich mit dem Süßwasser zusammen. Für Steinsammler und Schmuckmacher ein absolutes El Dorado. Ich stecke mir auch einige kleine, schöne Stücke in den Rucksack.

    Gut erholt mache ich mich auf nach Loutró. Der Weg führt hinter der Taverne steil hoch weiter an der schönen Küste entlang. Oben angekommen mache ich noch ein paar Fotos von Glikanéra und denke, dass es mich bestimmt nochmal hier hinziehen wird.
    Der Fussweg nach Loutró ist gut ausgetrampelt und läßt sich bequem gehen. Es ist aus der Erinnerung heraus nichts Besonderes hervorzuheben auf der Wegstrecke, bis auf Eines:
    Ungefähr auf halber Strecke gehe ich auf einen alleinstehenden Felsbrocken rechts am Wegesrand zu, der sich voll in der Farbe lila von der übrigen Landschaft abhebt. Enthielt der Rakí vielleicht eine halluzinogene Substanz? Ich schließe die Augen, drehe mich um, schau wieder hin und es bleibt lila. In der gesamten Umgebung kann ich keinen Stein oder eine sonstige Stelle erkennen, die auch nur annähernd lila leuchtet. Alles liegt im üblichen verdorrten Grau-Grün-Braun.
    Ich hatte mir in Chóra Sfakíon eine neue Billig-Sonnenbrille gekauft (Lacoste-Fake, 8 €), die ich kurz absetze und nun sehe, dass sie dieses Phänomen verursacht. Ohne Brille alles ganz normal, mit Brille voll lila, aber nur dieser eine Felsen. Ein Geologe oder sonstiger Fachmann könnte mir vielleicht erklären, welches Element in dem Gestein enthalten ist und diese Erscheinung nur in Verbindung mit dem Blick durch eine Sonnenbrille hervortritt. Aber wieso weit und breit nur dieser eine Brocken??

    Etwas nachdenklich gehe ich weiter und versuche mir die Gedanken aus dem Kopf zu schlagen, dass es sich vielleicht um ein göttliches Zeichen gehandelt hat. Aber was will es mir sagen?? Vergiss es, alles Quatsch!
    Mir begegnen auf dem Weg nur wenige Wanderer und kurz vor Loutró wird die Gegend deutlich grüner mit mehr Baumbestand. Unter einem Baum direkt am Wegesrand halten sich einige Ziegen im Schatten auf, schöne Exemplare. Von einem Bock mache ich das Porträt-Foto, was später mein Profilbild hier im Forum wird.

    Ich schaue von oben auf die Bucht von Loutró herab, die wirklich sehr pittoresk ist. Durch einige Abzäunungen hindurch gehe ich runter in den Ort, wo ich zuerst durch eine kleine, verwinkelte und ziemlich gepflegte Gasse komme, in der ein kleines Geschäft und und ein Café liegen. Nach wenigen Metern gelange ich an den Anfang der schmalen Uferpromenade, an der einige Restaurants liegen, durch die der Weg hindurch führt. Hier brutzelt schon das Fleisch auf den Holzkohle-und Flammengrills, und wartet auf den abendlichen Ansturm der Touristen, die jetzt noch wie die Ölsardinen aneinandergereit am schmalen Kiesstrand liegen. Ich gehe bis ungefähr zur Mitte der Promenade und bleibe an einer kleinen Bude stehen, die Getränke und Eis verkauft. Hier kaufe ich mir bei einem freundlichen jungen Mann eine Dose Bier, setze mich auf das Mäuerchen nebenan und schaue durch die Sonnenschirme am Strand hindurch aufs Meer. Hier ist alles dicht an dicht gedrängt und man merkt, dass der schöne Ort eigentlich kaum in der Lage ist, die Massen an (Tages-) Touristen aufzunehmen.
    Eine Amerikanerin erzählt dem Mann am Kiosk gerade, dass sie in Réthimnon auf einer Hochzeit gewesen sei und dort 2 Männer, die in der Nacht Gewehrsalven losgelassen hätten, sofort verhaftet worden wären. Laut Gesetz würde unerlaubter Waffenbesitz und Schießerei in der Öffentlichkeit neuerdings sofort mit Gefängnis bestraft, wenn man dabei erwischt würde.

    Ich gehe bis zum Ende der Promenade, wo die Schiffe anlegen und erkundige mich nach der Fähre zurück nach Sfakiá. Sie geht (glaube ich) um 16.00 Uhr. Ich kaufe an einer Holzbude ein Ticket (vielleicht 9 €?) und habe noch über eine Stunde Zeit. Hier in der Nähe der Anlegestelle reiht sich auch ein Lokal an das andere, dazwischen einige Läden mit (Kunst-) Handwerk und dem üblichen Souvenir-Kitsch. Die Lokale sind teilweise aber sehr geschmackvoll gestaltet und durchaus einladend. Trotz oder wegen der Touristenströme hat man sich bemüht, ein gewisses idyllisches Flair zu bewahren. Das ursprüngliche Fischerdorf wirkt insgesamt aber mittlerweile wie ein stark frequentieres Freilichtmuseum.
    Ich gehe nochmal bis ganz ans östliche Ende der Promenade, von wo ich gekommen war, setze mich dort auf eine ins Wasser gebaute Terrasse einer Taverne, habe die schöne Bucht komplett im Blick und trinke noch was. Ich bin zu faul, noch durch den Ort zu laufen und erwarte davon auch nicht allzu viel, da mir alles zu unecht und voll und ganz auf Geschäft fixiert zu sein scheint.
    Als die große Fähre der „Anendyk Lines“ auf den Hafen zufährt, bewege ich mich wieder dorthin. Hunderte Leute entern das Schiff. Auf der Rückfahrt nach Chóra Sfakíon sitze ich bei einer Gruppe von jungen Leuten, die mit Gitarre und Percusionsintrumenten Musik machen. Entspannt lasse ich die steile Küste mit den vielen kleine Buchten an mir vorbeiziehen und kann kaum glauben, dass ich diese Wegstrecke heute zufuß gelaufen bin.
    Ich schätze, dass die Fahrt eine dreiviertel Stunde gedauert hat, und gehe mit der Menschenmasse in Sfakiá von Bord. Die Restaurants sind schon bestens auf die Attacke vorbereitet. Ich gehe zuerst mal auf mein Zimmer und erst bei Dunkelheit wieder raus zum Essen. Dann liegt der Ort wieder im Dornröschenschlaf, denn 80-90 % der Gäste sind Tagestouristen, und die sind jetzt mit den Reisebussen wieder weg.

    2. Strandtag, Vrissi-Bucht

    wie der erste, s.o.

    2. Wandertag, Chóra Sfakíon – Arádena-Schlucht

    folgt...
    Geändert von belgofritz (16.August.2017 um 10:02 Uhr)

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