Heute endlich will ich anfangen, meine „Schulden“ abzutragen.
Vor einem Jahr wurden mein Mann und ich von unserer kretischen Bekannten zur Hochzeit ihrer Tochter eingeladen. Daraufhin bat ich um Euch um Hilfe, was Sitten und Gebräuche angeht. Wir hatten uns entsprechend Eurer Tipps vage auf alles mögliche vorbereitet: mehrere Tage feiern, Knallerei, Glückwünsche auf griechisch, Geld im Umschlag, da kein Geschenkwunsch ...
Zunächst erklärte uns unsere Bekannte, dass die beiden Hauptpersonen schon zuvor staatlich geheiratet hätten, allerdings noch nicht kirchlich. Eine kirchliche Trauung sei sehr teuer, und das Geld hatten sie erst jetzt zusammen. Wir sollten nach Pyrgos fahren, es ginge etwa 17 oder 18 Uhr los und an diesem ersten Abend würden nur ein paar Freunde des Paares kommen. Das waren dann etwa 20 Personen, zum Teil mit Kindern. Als wir ankamen, konnten es unsere Gastgeber gar nicht ersehen, dass wir uns in Ruhe umschauten. Wir hatten im Nu ein großes Glas mit (zum Glück) wenig Raki in der Hand und beeilten uns dann, der Aufforderung, uns etwas zu essen zu nehmen, nachzukommen. An den Gesprächen konnten wir kaum teilnehmen – mein Mann kann nur einzelne Wörter griechisch und ich hatte lediglich ein Jahr Volkshochschule hinter mir. Trotzdem gelang es uns, unter Einsatz von Fotos und viel Gestik ein paar Brocken mitzubekommen und dass es im Griechischen eine Redewendung gibt, wie bei uns: Ein Kind ist kein Kind – ena kanena.
Aus einem Brauch wurden wir allerdings nicht ganz schlau, auch wenn es sich ganz offensichtlich um ein Fruchtbarkeitsritual handelte: Von den Freundinnen der Braut wurde das Ehebett des Brautpaares schön hergerichtet, dann musste es der künftige Ehemann wieder einreißen und es wurde nochmals so schön arrangiert, auf die Kopfkissen wurden aus Dragees die Anfangsbuchstaben des Paares gelegt und auf die Tagesdecke darüber Rosenblätter gestreut. Dann wurde eines der kleinen Kinder darauf gelegt. Etwas später legten die Gäste Geldscheine darauf, die das Brautpaar später einsammelte. Kennt Ihr diesen Brauch? Gibt es Varianten?
Auf dem Heimweg hielt uns plötzlich ein Polizist auf der Landstraße an. Als wir ihm sagten, dass wir Deutsche seien, gab er uns nur einen Wink „go – go“. Am nächsten Tag erklärte uns unsere Bekannte, dass in der Gegend mehrfach Albaner die Kirchen ausgeraubt hätten und die wohl durch Kontrollen gefunden werden sollten.
Am nächsten Abend sollten wir wieder gegen 18 Uhr da sein. Da wurde schon in der Taverne gefeiert. Die Verwandten des Bräutigams vom Festland waren eingetroffen und mit den Freunden von Kreta waren es wohl ungefähr 120 – 150 Leute. Mir fiel auf, dass etliche Kinder mit zu Gast waren, und wenn die ganz Kleinen zu unruhig wurden, hörten wir nur von den Müttern „klaiei“ – danach verabschiedeten sie sich.
Wir fuhren an diesem Abend erst einige Zeit nach Mitternacht los und waren schon recht müde. Trotzdem gab es wieder ein Hindernis auf dem Heimweg. Diesmal waren es Scharen von Menschen auf der engen Dorfstraße von Chondros, dem letzten Ort, bevor es die Serpentinen zu „unserem“ Keratokampos hinuntergeht. Ein Mann riss die Fahrertür auf und sagte etwas von „ena poto“. Ich rief „mono ena“, dann leiteten sie unser Auto vorsichtig bis an den Straßengraben. Ehe wir uns versahen, hatten wir einen Becher Schnaps in der einen, einen Becher Cola in der anderen Hand. Dann kam eine ältere Frau und schenkte jedem von uns ein Törtchen. Ein anderer griechischer Gast fragte uns nach dem Woher und Wohin, dann konnten wir kurz Luft holen und fragen, was denn hier gefeiert würde: Na, Hochzeit! Einige tüchtig angetrunkene Männer zerrten derweile einen Tisch auf die Straße und wollten darauf zu dröhnender Musik tanzen. Das hielt allerdings der Tisch nicht aus. Als wir nicht mehr so im Mittelpunkt standen, stellten wir dezent unsere Becher ab und fuhren dann endlich heim.
Für den dritten Abend waren die eigentliche kirchliche Trauung und auch die Taufe des Sohnes vom Brautpaar angesagt, von der wir erst nebenbei am ersten Abend erfahren hatten. Wir kamen diesmal etwa 18.30 Uhr an, da wurden die letzten Damen noch geschminkt und ich kam mir dagegen sehr farblos vor. Plötzlich wurde aufgebrochen, alle machten Hektik, die Braut in ihrem langen weißen Kleid hatte Schwierigkeiten, die enge Treppe herunterzukommen und ins Auto einzusteigen. In der Zeit schossen 2 der Verwandten wie wild mit Gewehren in die Luft, so dass einige Kinder Angst bekamen.
Alle fanden irgendwie in ihre Autos und fuhren im laut hupenden Konvoi zur Kirche. Von Text und Musik der einstündigen Trauungszeremonie haben wir leider gar nichts verstehen können. Deshalb haben wir entweder direkt zugesehen, zugehört oder uns die Kirche und die Gäste genauer angeschaut. Aber bitte verlangt nicht, das alles zu beschreiben – es würde eine große Extrageschichte werden! Nach der Trauung wurde der etwa 2 – 3-jährige Petros getauft. Er weinte bitterlich, nicht einmal seine Uroma konnte ihn beruhigen. Es ist ja auch ganz und gar unverständlich, wenn man in der Kirche nackt ausgezogen wird und in einem Kupferkessel baden soll. Dabei hatte der Pater (ich weiß nicht ob er so heißt: Papás?) so sehr darauf geachtet, dass die Wassertemperatur für den Kleinen angenehm war. Er hatte sie sogar mit dem Unterarm geprüft und noch etwas kühles Wasser nachgießen lassen. Die Zeremonie selbst ließ Petros dann zwar ängstlich, aber nicht mehr schluchzend über sich ergehen. Als er dann von seiner Patin abgetrocknet wurde und sein Taufgewand angezogen bekam, konnte er auch wieder lächeln. Nach dieser Zeremonie verließen alle einzeln die Kirche und defilierten am Brautpaar vorbei. Das war der Moment, die guten Wünsche loszuwerden, die mir dann doch nicht auf griechisch einfielen. Aber die beiden akzeptierten zum Glück auch unsere deutschen Glückwünsche. Ein paar Schritte weiter steckten wir unseren Briefumschlag in einen großen Beutel, in dem die Schwester der Braut die Geschenke sammelte. Und danach erhielt jeder Gratulant von den Freundinnen der Braut ein kleines Beutelchen mit Dragees. Einige Zeit später fanden sich (alle?) in der festlich geschmückten Taverne ein. Ich zählte grob Tische und Stühle und kam auf ca. 500 – 600 Plätze. Gäste kamen und gingen, also wird es sich eher um die größere Zahl gehandelt haben. Auf den Tischen standen schon Brot und verschiedene Wasserflaschen, die mit Wein und Raki gefüllt waren und auf denen eine Banderole angebracht war, die mit einem Bild vom Brautpaar und dessen Sohn und mit einem Dankesspruch bedruckt war. Dann wurden mehrere Gänge zu essen serviert und irgendwann begannen eine kretische Band zu spielen und die Gäste zu tanzen. Sie konnten sich auch Titel wünschen und so bemerkten wir, dass sich die Wunschmusiken der Kreter und der Gäste vom Festland ganz schön unterschieden. Die kretische Musik hatte für unsere Ohren mehr Temperament! Später erfuhren wir, dass die Band recht berühmt sei und kauften auch eine CD (Nikos Gonianakis – Mia vradia sto Zefiro), die wir immer noch gern hören. Gegen das Liveerlebnis kommt sie allerdings nicht an. Zu vorgerückter Stunde bedankte sich die Patin von Petros bei jedem einzelnen mit einer kleinen Anstecknadel. Und wir bekamen Mut und reihten uns bei den Tänzern ein. Doch an Mithalten war um die Zeit nicht mehr zu denken – wir sahen danach lieber wieder zu. Die Feier an sich ging noch sehr lange – wir blieben jedoch nicht bis zum Schluss, sondern machten uns etwa im Morgengrauen auf den Heimweg und waren froh, den ganzen Tag zum Ausschlafen zu haben.
Kurz: Kuch neben der eigentlichen Feier kann man viel erleben. Nichts ist planbar - zum Glück!