Teil I.
Nachdem die Jahre 71 und 72 durch Klausens Berichte eine schöne Würdigung gefunden haben, will ich nahtlos mit einem Bericht über 1973 anschließen so gut es geht, denn so einiges ist doch im Laufe der Jahre verblasst.
Damals noch im jugendlichen Alter von 21 Jahren studierte ich im 4. Semester Physik in Aachen. Es mag schon so Anfang Juni gewesen sein, als mein guter Freund Uli meinte, daß es Zeit sei, daß ich mal den Süden kennenlernen würde und es ginge in vier Wochen für sieben Wochen los. Eine Gruppe von 7 Leuten und drei Autos hätte sich bereits zusammengefunden und ich als achter solle sie komplett machen, neben seiner Freundin Petra, zwei Kläuse, ein Armin, eine Anette und eine Monika (?), allesamt aus dem studentenbewegten Milieu und mir nicht unbekannt. Da sich die zusätzlichen Kosten der Reise nur auf ca. 200DM belaufen sollten, war mein Entschluß schnell gefaßt.
Der Juli rückte schnell heran, und da neben einer Wechselgarnitur Kleider, nur Zahnbürste, Haarschampoo, Zahnpasta und etwas Reservetabak sowie Schlafsack und ein wenig Lektüre das Reisegepäck ausmachten, waren die Reisevorbereitungen schnell getroffen und an einem Sonntag im Juli gegen 12 Uhr nachts ging es los. Es wurde getrennt gefahren, Treffpunkt Mi in Pireus an der Fähre. Ich stieg zu Uli in seinen Käfer ein. Wir erreichten München in der Frühe, wo Petra aufgesammelt wurde und wo wir mit einem frugalen Frühstück - zum letzten Male mit Wurst für längere Zeit - empfangen wurden.
So gestärkt verließen wir München und waren bald in Österreich.
Es muß bemerkt werden, daß ich damals noch keinen Führerschein besaß, was mich von der Fahrzeuglenkung ausschloß, mich aber auch im wesentlichen vom Schlafen abhielt, denn der gerade Nichtfahrer beanspruchte die gesamte Hinterbank, um wenigstens etwas an Schlaf zu finden, denn die Route sollte und mußte mit nur einer Übernachtung bewältigt werden.
Die schönen Alpen, dann der steile Wurzenpaß - ist mir der Name richtig in Erinnerung? - und gegen Nachmittag waren wir in Jugoslawien. Die Grenzformalitäten waren wohl kein größeres Problem, denn sie sind vollständig aus dem Gedächtnis entschwunden. Die Gegend, das heutige Slowenien, war beeindruckend schön, insbesondere erinnere ich mich an den Rückblick auf den Paß.
Wir eilten den Autoput entlang und dem Abend entgegen, die Gegend muß wohl inzwischen recht eintönig geworden sein, denn die wenigen manchmal aufblitzenden Erinnerungsfetzen zeigen eine endlose Landschaft mit Feldern. Wir hatten ja schon einiges an Abenteurlichem über die hiesigen Vekehrsgewohnheiten gehört, aber die Wirklichkeit sollte dann uns doch in Staunen versetzen: Es war schon ziemlich spät in der Nacht als ich plötzlich aus meinen Halbschlaf aufschreckte und, wohl wacher als der Fahrer, vor mir die kaum erkennbare Silouette eines LKW's bemerkte, dem wir uns mit erheblicher Differenzgechwindigkeit näherten. Ein kurzer Warnruf von mir verhinderte wohl eine Vollbremsung und Schlimmeres. Nach dem Überholmanöver konnten wir dann feststellen, daß wir offensichtlich wohl jemanden getroffen hatten, der schon damals die Klimakatastrophe heraufdämmern sah und ihr strikt energiesparend durch Ausschalten sowohl des Vorder- wie Rücklichts begegnen wollte.
Ohne weitere Zwischenfälle erreichten wir dann morgens Mazedonienen, damals ein stilles, bergiges Land, übertraten die griechische Grenze, wo uns als erstes das Phönix-Symbol der griechischen Junta ein unschönes Willkommen bereitet. Mittags erreichten wir den Olymp. Hier irgendwo kehrten wir in einer Taverne ein, um erst mal was ordentliches zu essen. Für mich war es neu, keine Speisekarte zu bekommen, sondern in die Küche geführt zu werden und dort die Speisen zu wählen. Dann gegen vier Uhr nachmittags - es muß wohl in der Nähe von Volos gewesen sein - verlassen wir die Hauptstraße, um einen kleinen Ort direkt am Meer anzusteuern und dort eine Übernachtungsmöglichkeit zu finden.
Einer der ersten, der uns begegnete, sprach uns in gutem Deutsch an. Er hatte etliche Jahre in Deutschland gearbeitet, wie er erzählte. Blitzschnell besorgte er uns ein einfaches Zimmer, hielt es für seine selbstverständliche Pflicht uns allen seinen Bekannten und Verwandten - und davon hatte er wirklich nicht wenige - vorzustellen. Überall wurden wir äußerst herzlich aufgenommen, und zu Essen und Trinken eingeladen. Der Abend wurde wahrlich lang und feucht und sehr fröhlich. Griechenland begann mir immer besser zu gefallen.
Ein Bad im Meer in der schon heißen Morgensonne, ein kurzes Frühstück, drei bis vier Kaffee um die Geister des Alkohols in den Hintergrund zu drängen und schon ging es weiter Richtung Athen. Schöne, abwechslungsreiche Landschaft zieht vorüber, an eine Ebene erinnere ich mich mit viel Weinanbau. In Pireus fanden wir auch den Rest der Gruppe wohlbehalten angekommen.
Die Fähre muß wohl gegen Abend losgefahren sein, allerdings kann ich mich an die Nacht nicht erinneren, wohl aber an den ersten Anblick von Kreta, Land des Minos und Geburtsstätte von Göttern: von entrückter Schönheit im grünblauen Meer, mit seinen hohen Bergen und im gleißenden Morgenlicht schimmernd.
Wir fahren in die Bucht von Souda ein, vorbei an einer Insel mit alten Befestigungen, der Fährhafen ist laut, es ist nicht der schönste Ort. Also verharren wir nicht lange und brechen auf zu unserem ersten Ziel: der Bucht von Falasarna ganz im Westen der Insel. Das Land, durch das wir jetzt fahren, ist recht grün bewachsen, die Felsen steigen steil an, doch bald öffnet sich die große Ebene von Chania. Durch Chania sind wir nicht gekommen, also muß es schon ein Stück New Road gegeben haben. Die Karte von damals, die ich heute noch habe, ist dabei keine gute Gedächtnisstütze: in ihr ist die New Road so eingezeichnet, wie sie erst vor wenigen Jahren fertiggestellt wurde. Schon bald nach Chania befinden wir uns auf der Old Road, denn sie führt nicht weit vom Meer entlang. Die Gegend ist auch damals schon dicht besiedelt, aber wenn die Erinnerung nicht täuscht, so gehen die Orte damals nicht ineinander über, wie das heute der Fall ist. Große Schilffelder (Bambus ?) fallen uns auf.
Am Soldatenfriedhof von Maleme verweilen wir. Die vielen weißen Kreuze, Mahnung der Toten an die Lebendigen, ein unsichtbarer Schatten scheint kurz das sonnenhelle Land zu streifen: so viel Leid, so viel Blut seit Jahrhunderten schon in diesem Land voller Leben. Der Gegensatz ist deutlicher als anderswo.
Wir fahren an diesem Tag nicht mehr weit, bald finden wir ein schönes Plätzchen am Strand unweit eines großen Schilffeldes. Wir entzünden das Lagerfeuer, ein kurzes Mahl, ein paar Gläser Wein, es ist wunderschön dem Meer zu lauschen, aber wir werden nicht alt an diesem unserem ersten Abend in Kreta.
Der nächste Teil handelt von unserem Aufenthalt in Falasarna.