Sarti erbebte
Renagigi hat mich mit ihrer in Planung befindlichen Reise nach Nordgriechenland daran erinnert .....
Im Sommer 1989 verbrachten wir unseren Urlaub auf Chalkidiki, genauer gesagt in Sarti. Ein wunderschönes Apartmenthaus am südlichen Ortsende, einsam und verlassen (damals) war für drei Wochen unser Zuhause. Am Morgen konnten wir schon vom Bett aus die Sonne über dem Athos aufgehen sehen – ein wahrlich traumhafter Anblick. Aus diesem Grunde beschlossen wir (meine Tochter und ich, mein Mann war eher ein „Morgenmuffel“) eines Morgens so frühzeitig aufzubrechen, dass wir den Sonnenaufgang am Strand, etwa 15 Minuten Fußmarsch Richtung Süden, in einer kleinen Bucht zwischen Felsen erleben konnten. Gerade rechtzeitig kamen wir an unserem Lieblingsplätzchen an und bewunderten mit einiger Andacht dieses besondere Farbenspiel am Himmel. Sonnenuntergänge zum Niederknien habe ich in Griechenland schon viele gesehen, aber mir selten die Mühe gegeben, so zeitig aufzustehen, um den beginnenden Tag zu bewundern. Mit den ersten wärmenden Sonnenstrahlen gab es kein Halten mehr – ab in die angenehm kühlen Fluten.
Irgendwann später, als ich dann mit einer Zigarette auf einem Felsvorsprung saß, die ausgelassenen Wasserspiele meiner Tochter im Auge, aber hauptsächlich die friedvolle, beruhigende Atmosphäre genießend, packte mich plötzlich jemand an der Schulter. Hätte nicht viel gefehlt und ich wäre vor lauter Schrecken ins Wasser gefallen – aber eine kräftige Hand hielt mich sicher fest. Ein Polizist!! Der erste (vollkommen irreale) Gedanke war, dass im Haus irgendetwas passiert sein musste und mein Erschrecken wurde immer größer. Da legte der Polizist die Hand an seine Lippen und bedeutete mir, ruhig zu sein und mit ihm mitzukommen. Wir gingen um den nächsten Felsvorsprung herum .......
Ein etwas größerer Strandabschnitt mit Dünen dahinter – am Strand (davon wurde im Dorf hinter vorgehaltener Hand immer wieder gemunkelt) eine Gruppe von FKK-Anhängern. Hinter den Dünen zwei Polizeiautos und drei weitere Pick-Ups – und eine Handvoll Männer, kräftige Holzknüppel in der Hand – schlichen sich an die Nackedeis heran. Der Tumult war groß, aber letztendlich saßen sie alle, splitterfasernackt wie sie waren, in den Polizeiautos und auf den Pick-Ups .. ab zur Polizeistation. „Mein“ Polizist hatte mir erklärt, dass es wohl ein paar Vorfälle mit den Nackedeis gegeben hatte und aus diesem Grund diese Aktion gestartet wurde.
Zurückgekehrt ins Apartment berichteten wir meinen Mann voller Aufregung das gesehene Geschehene, der uns aber nicht so recht glauben wollte. Er wurde dann allerdings eines Besseren belehrt, als sich abends in unserer Lieblings-Strandtaverne im Dorf der besagte Polizist, der zufälligerweise gerade vorbei kam, zu uns an den Tisch setzte und mir das Ende der Geschichte erzählte. Stundenlanges Warten auf der Polizeistation, letztlich eine Verwarnung und die Wegweisung der Leute aus Sarti, weil sie unbedingt weiterhin am Strand die FKK-Kultur pflegen wollten.
Später am Abend saßen wir mit unseren Hausnachbarn am Balkon und hatten natürlich ausreichend Gesprächsstoff. Wobei wir aber zwischendurch auch davon Notiz genommen hatten, dass die Schafe, die Vögel, die Tsitsikis (Anm.: Plural Deutsch :grin:) besonders intensiv zu hören waren. Und gerade so mitten drin in einer angeregten Diskussion wurde es dann auf einmal rundherum mucksmäuschenstill. So still, dass die Stille wiederum „laut“ aufgefallen ist. Ich kann das leider nicht besser beschreiben .... und mit einem Mal, ganz plötzlich, fing es in der Erde ganz leise, ganz dumpf an zu grollen, dieses unangenehme Geräusch wurde immer lauter und lauter bis die Erde um uns herum heftig zum Beben anfing. Mit dem Beben setzten auch die Tiere zum Schreien und Blöken an – eine gespenstische Situation. Ein Erdbeben! Nie wollte ich eines erleben, nun war es geschehen. Der erste Erdstoß war so stark, dass in der Küche Utensilien zu Boden fielen, die Kastentür aufgesprungen und unser Kind im Bett ganz ordentlich geschaukelt worden war.
Nach zwei weiteren, nicht mehr ganz so intensiven Nachbeben kam die Natur sehr schnell wieder zur Ruhe. Wir allerdings saßen noch lange, lange auf der Terrasse. Nachträglich haben wir dann erfahren, dass wir etwa 30 – 40 km vom Epizentrum auf Kassandra entfernt waren. Ein denkwürdiger Tag, wenn mich nicht alles täuscht, dann war das am 21. oder 22. August 1989.
LG Reinhilde
Wenn du nicht kämpfst, dich nicht bemühst, hast du nicht das Recht zu hoffen.