Ein gutes Frühstück muss jetzt her und ich gehe die Hauptstraße runter durch den Ort. Es ist gegen 10 Uhr und von dem Straßenfest von gestern ist fast nichts mehr zu sehen. Tische und Stühle und auch die Bühne sind größtenteils abgebaut und nur vereinzelt liegen noch einige zusammengekehrte Müllhaufen rum. Einige Leute sind noch mit Aufräumen und Saubermachen beschäftigt, aber das Leben geht weiter wie an einem ganz normalen Sonntagmorgen, als wäre gestern nichts gewesen.
Da hier oben in Armí kein Frühstück angeboten wird, gehe ich wieder ins Unterdorf nach Perachóri und frühstücke in einem kleinen Café unter Bäumen auf dem schönen Platz. Am Nebentisch sitzt ein junges Paar aus Deutschland und empfiehlt mir das Omelett mit Käse, was ich dann auch nehme und ok ist.
Zurück im Oberdorf gelange ich über eine steile Treppe auf einen größeren Platz mit einem Denkmal, das ich mir etwas genauer anschaue. In griechischer und deutscher Schrift ist hier der Wehrmachtsbefehl des deutschen Ober-Kommandeurs H. Müller in Stein gemeißelt, der während der Besatzung Kretas im 2. Weltkrieg wegen eines Partisanenaktes befahl, Anógia dem Erdboden gleich zu machen und alle männlichen Dorfbewohner, die sich zu diesem Zeitpunkt in Anógia und Umgebung aufhielten, zu erschießen. Die Namen der vielen Opfer sind hier ebenfalls verewigt.
Der Gedanke, dass irgendwelche braunen, uniformierten Horden einfach in ferne, friedliche Gegenden einfallen, die überwiegend von Ziegenhirten bewohnt werden und die mit der Weltpolitik nun wirklich nicht viel zu tun haben können, die Häuser zerstören und die Menschen massakrieren, ist ziemlich unerträglich.
Ich bekomme ein mulmiges Gefühl angesichts der Tatsache, dass ich gestern als Deutscher nur 70 Jahre später hier zu einem Dorffest eingeladen bin, unbekümmert mitfeiern darf und keinerlei Ressentiments erfahre. Auch wenn ich für diese Barbarei keine Mitverantwortung trage, schäme ich mich als Deutscher dafür und würde mich am liebsten bei den alten Männern, die am Rand des Platzes auf der Bank sitzen, entschuldigen.
Es war nicht das erste Mal, dass Anógia zerstört wurde (wie auch viele andere kretische Dörfer). Im 19. Jahrhundert waren es die türkischen Besatzer, die das Dorf sogar 2 Mal niederbrannten.
Dass sich aus der jahrhundertelangen, leidvollen Besatzungs-Geschichte Kretas ein starker Freiheits- und Widerstandsdrang entwickelte, ist nur allzu verständlich, und der traditionelle Waffenbesitz ist wohl u.a. auch darin begründet.
Ich kaufe mir noch 2 Flaschen Wasser und gehe zurück zu meinem Zimmer, um mein Daypack zu holen. Dann starte ich meinen Fußweg ins legendäre Zonianá, das Dorf mit eigenen Gesetzen, wo es angeblich mehr Waffen als Einwohner gibt, und die „Drogen-und Waffenbarone“ regieren. Das Hinweisschild am unteren Ortsausgang zeigt 5 km bis Zonianá, was in 1 Stunde zu schaffen sein muss. Ich gehe links die Straße entlang - es begegnen mir nur wenige Autos und sonst keine Menschenseele. Die Gegend ringsum ist leicht bewaldet und es gibt nichts Besonderes zu sehen. Nach gut einer dreiviertel Stunde komme ich an den Abzweig links nach Zonianá, noch 2 km.
Entfernungsangaben auf Wegweisern sind auf Kreta immer skeptisch zu betrachten – es kommt häufiger vor, dass z.B. 5 km angezeigt werden und dann nach ca. 5 km wieder 5 km angezeigt werden(kommt in Deutschland aber auch vor).
Nach einigen Metern geht auf der Straße nach Zonianá rechts ein Weg zu einer Taverne ab. Ich beschließe, dort ein Päuschen einzulegen. Nach ca. 50 Metern an einer langen, neu erstellten Natursteinmauer entlang komme zu der ebenfalls ziemlich neu wirkenden, in gelblichem Putz gehaltenen „Landtaverne“ mit überdachter Außenterrasse. Das gesamte Anwesen scheint neu angelegt zu sein und liegt sehr schön in einem Olivenwäldchen und ich sehe am Ende des staubigen Vorplatzes auf einer Anhöhe eine krippenähnliche Behausung unter Bäumen mit allerlei Getier. Hühner, Gänse, Schafe, Ziegen, Hütehund etc. wohnen hier in einer offensichtlich gut funktionierenden und friedlichen WG.
Ich setze mich auf die Terrasse an einen mit einer gelben Stofftischdecke gedeckten Tisch und rauche erst mal eine. Es ist absolute Totenstille und mein Kommen scheint noch niemand bemerkt zu haben, wenn überhaupt jemand da ist. Nach einigen Minuten stehe ich auf, gehe zu der verschlossenen Holz-Glastür und schaue in den großen, dunklen Gastraum. Ein kleiner Hund hat mich gesehen, kommt ohne einen Mukser zur Tür und läuft wieder in den hinteren Bereich. Komischer Hund. Ich setze mich wieder hin und nach wenigen Minuten kommt eine junge Frau heraus. Fifi hat ihr wohl Bescheid gesagt. Vermutlich habe ich sie aus Ihrem Mittagsschlaf geholt. Sie begrüßt mich aber freundlich und ich bestelle ein Bier, was sie mir auch umgehend zusammen mit dem üblichen Snack Tomaten, Oliven, Schafskäse, Wurst und dem harten, zwiebackähnlichen „Dakos“ serviert. Sie setzt sich zu mir und ist neugierig, was mich um Himmels Willen zu dieser Tageszeit auf Ihre Terrasse verschlägt. Englisch spricht sie nicht, und so unterhalten wir uns mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Sie erzählt mir, dass ihr Mann auswärts arbeite und jede freie Minute am Haus und den Außenanlagen arbeiten würde. Ihre Eltern seien erst kürzlich beide verstorben, was sie sehr traurig mache und ich erfahre, dass sie zzt. Ärger mit einem Gänsegeier habe, der ihr schon einige Gänse gerissen hätte.
Als ich zahlen möchte, stelle ich fest, dass ich zu wenig Kleingeld in der Tasche habe, um Speis´ und Trank und Trinkgeld zu bezahlen, und 50 Euro will oder kann sie nicht wechseln. Also lass ich die knapp 2 Euro liegen und der Rest geht mal wieder aufs Haus „Tipota!“ (macht nix, es ist Nichts).
Da ich heute außer Tavernenbesuchen zur Gewissensberuhigung auch mal eine politisch korrekte Dosis Kultur mitbekommen möchte, frage ich sie nach der im „Fohrer“ beschriebenen Tropfsteinhöhle, der „Sfendóni-Höhle“, und sie sagt mir, dass ich sie auf dem Weg nach Zonianá rechts oberhalb vom Ort sehen würde und es wäre nicht weit. Sie hätte jetzt auch geöffnet. Efkaristó pára poli! Andío!
Ich war in meinem Leben noch in keiner Tropfsteinhöhle. Bei der einzigen Gelegenheit auf einer Klassenfahrt nach Attendorn hatte ich mich mit einem Kumpel anderen schönen Dingen gewidmet und mich von der Truppe entfernt.
Die Straße nach Zonianá steigt ca 1-2 Kilometer leicht an und ich sehe oben rechts in der Ferne ein freistehendes, offensichtlich neu angelegtes Besucherzentrum am Fuss der Berge. Ich meine mich erinnern zu können, dass auch hier, wie an vielen anderen touristischen Sehenswürdigkeiten, ein großes Schild mit dem Hinweis stand, dass das Zentrum mit EU-Mitteln gefördert wurde. Man sieht diese Schilder überall auf Kreta, oft auch schon älter und demoliert, ohne Erkennbarkeit irgendeiner Verwirklichung der geplanten Projekte. An den fertiggestellten Projekten weht oft die griechische Flagge und die der EU.
Apropos Schilder: Mir fällt auf, das viele Straßenschilder relativ neu aussehen und die alten, meist durchlöcherten Schilder ersetzt haben. Es wird wohl nicht lange dauern, bis man wieder hindurchgucken kann, denn es ist ein beliebter Freizeitsport auf Kreta und insbesondere in dieser Gegend, Straßenschilder in jeglicher Form als Zielscheibe zu benutzen und zu durchschießen. Es gehört zum Landschaftsbild.
Hoch oben am Ortsanfang geht ein langer Weg rechts ab zu dem kleinen Gebäudekomplex mit Cafetería, Terrasse und Souvenirlädchen. Es stehen nur wenige Autos da und und es ist nicht viel los. Ich frage den Griechen an der Theke im Eingangsbereich nach dem Eintritt in die Höhle und er sagt mir, dass gerade im Moment eine Führung begänne. Er gibt mir ein Infoblatt, ich zahle 5 Euro für das Ticket und gehe draußen einige Natursteintreppen runter bis zum Höhleneingang. Hier wartet schon eine Gruppe von ca.10 Leuten. Der Führer bittet hinein und leitet uns über neu und gut angelegte Metall-Laufstege durch die ca. 3000 m² große Höhle mit 14 Innenräumen, die alle einen eigenen Namen haben. Hin und Wieder wird Halt gemacht und er erzählt einmal auf Englisch und einmal auf Griechisch einiges zur Entstehung und Geschichte der Höhle, die zwar nicht als größte, aber eine der schönsten auf Kreta gilt. Die feingliedrigen und bizarren Tropfsteinformationen, die über zigtausende Jahre entstanden sind, sind zum Teil angestrahlt in Szene gesetzt und könnten die ideale Kulisse für einen Fantasy-Film bilden. Mit gutem Willen lassen sich zufällig entstandene, lebendige Figuren und Gesichter erkennen. In einer Ecke unter dem Höhlengewölbe schaut ein bärtiges Gesicht herab und der Höhlenführer hat mit seiner Bemerkung, dass es Fidel Castro sei, der sich hier verewigt hätte, die Lacher auf seiner Seite. Wie oft mag er das schon gesagt haben, jedesmal mit der Gewissheit diesen Lacher zu platzieren. Ist ja in Ordnung, die Führung hat er professionell und gut gemacht und mein erster, aber wahrscheinlich einziger, Höhlentrip hat sich gelohnt.
Die Höhle wurde übrigens nach einem kretischen Widerstandskämper namens „Sfendóni“, benannt, der sich im 2. Weltkrieg hier versteckt haben soll.
Nach einer Stunde Abkühlung bin froh, wieder in der Sonne zu sein. Neben der Höhlenbesichtigungsempfangsstation hatte ich schon beim Kommen einen gepflegt angelegten Kräutergarten gesehen, den ich mir noch was näher anschaue. Die Kräuterbüschel sind alle mit Ihrer botanischen Bezeichnung versehen und ich rieche mich eine Weile durch, indem ich von jedem ein bisschen Blüte abknapse und zwischen den Fingerspitzen zerreble. Nur angucken wäre ja langweilig.
Ich bin noch immer auf der Suche nach einem Kraut, dessen ätherische Öle einen ähnlichen Duft verbreiten wie Cannabis Sativa. Fährt man auf Kreta mit offenem Fenster durch die Berge, dann kommt einem an manchen Stellen schonmal ein verdammt harziger Geruch in die Nase, der stark an die Hanfpflanze erinnert. Ich weiß noch immer nicht, ob es sich dann um eine versteckte Hanfplantage handelt, oder um eine ähnlich riechende Pflanze. Hab es bisher leider auch noch nicht geschafft, besonders wenn die Familie dabei war, mal bei der plötzlichen Wahrnehmung des Geruchs spontan anzuhalten und, immer der Nase nach, durch die Gegend zu streifen. Selbstverständlich rein aus wissenschaftlichem Interesse....
Leicht beschwingt von den sonnenverwöhnten, intensiv duftenden Kräutern, deren Namen ich zum Teil nicht kenne, mache ich mich auf in die Höhle des Löwen.
Die Hauptstraße windet sich abschüssig an den Wohnhäusern vorbei durch den Ort. Zonianá ist schon ein größeres, sehr langezogenes Dorf mit ein paar Tausend Einwohnern. Wie auch Anogiá ist es sogar im Besitz eines recht ordentlichen Fussballplatzes mit kleiner Tribüne, den ich unten in der Ferne am Rand des Dorfes erkennen kann. In besagter WDR-Reportage „Wunderschönes Kreta“ wurde hier das Interview mit dem Dorf-Popen geführt.
Ich gehe mitten auf der Straße. Es ist noch früh am Tag und wieder herrscht Friedhofsruhe. Rechts und links sehe ich einige einfache Kafeneíons, wo sich aber niemand aufhält. Vielleicht hat sich auch schon rumgesprochen, dass sich ein fremder Eindringling dem Dorf nähert und die Leute lauern schon, bis an die Zähne bewaffnet,hinter Fenster und Türen!
Alles Quatsch: I come in peace!
Unter der heißen Sonne muss ich an den 50er Jahre Western-Klassiker „High Noon“ denken, in dem Gary Cooper als einsamer Held und Kämpfer für Gerechtigkeit allein durch das Dorf in Richtung Showdown mit seinem Widersacher schreitet, den Colt zugbereit an seiner Seite. Keiner der Dorfbewohner hilft ihm, alle haben sich in Ihren Häusern verbarrikadiert, manche gucken nur angsterfüllt durch Fensterläden hindurch.
Er erledigt den Chef-Halunken am Ende im Duell und sein Mut und die Gerechtigkeit haben gesiegt. Nun kann er endlich mit seiner gerade angetrauten Liebsten (Grace Kelly) die Stadt verlassen, die er als Ex-Sheriff noch schnell von der Tyrannei der Verbrecherbande befreien mußte.
Die bekannte Filmmusik im Kopf, komme auf einen größeren Platz zum Zentrum des Dorfes, an dem sich auch ein kleines Wachsfiguren-Museum befindet. Ein älteres Paar sitzt davor und hofft auf Besucher. Ich würde ihnen ja gerne den Gefallen tun, aber ich habe mein Kulturpensum für heute erfüllt.
Der Platz wirkt wieder wie ausgestorben. Zum Duellieren ist auch niemand da. Ein paar Kinder mit Fahrrädern beäugen mich neugierig, und es gibt zwar einige Cafés, aber sie sehen, zumindest tagsüber, nicht sehr einladend aus und scheinen geschlossen zu sein. Ich biege rechts ab und komme nach wenigen Minuten auf einen weiteren, leicht abschüssigen Platz mit einigen Tavernen. Auf eine schöne Terrasse mit schattenspendenden Maulbeerbäumen am unteren Rand des Platzes setze ich mich mit dem Rücken an die Tavernenwand so hin, dass ich alles überblicken kann. Um die Ecke an dem Durchgangssträßchen sitzen 4 Jugendliche und spielen Karten. Mit ziemlichem Getöse, so wie es sich gehört. Von mir nehmen sie kaum Notiz, ich bin halt ein Touri.
Eine junge, vorsichtig ausgedrückt etwas unterbelichtet wirkende Kellnerin, kommt heraus und fragt mich, was ich wünsche. Ich bestelle ein Bier und sie fragt, ob ich nichts essen wolle. Ich verneine und sie bringt mir das Bier mit den obligatorischen Mesédes. Trinken, ohne Essen, geht auf Kreta garnicht.
In einer Taverne auf einer Terrasse zu sitzen und das alltägliche Leben zu beobachten bringt mir ehrlich gesagt mehr, als mich auf kunst-kultur-historischen Pfaden zu bewegen. Museumsbesuche ja, aber nur dosiert. Die geballte Menge an Kunstschätzen , von denen jeder einzelne so bedeutungsschwanger ist, das man sich eigentlich 3 Tage damit beschäftigen müßte, erzeugt bei mir oft ein Beklemmungsgefühl und ich muss wieder raus zum Luft holen. Es ist für mich seit je her wesentlich aufschlussreicher, mich unter Einheimische zu mischen und das aktuelle Leben und Denken der Leute in Echtzeit mitzubekommen, und da ist als Fremder die Kneipe nunmal der naheliegendste Ort.
Auch stundenlang in einer Strand-Taverne sitzen, mit Blick aufs Meer, ist eine meiner Lieblings-(Nicht-) Aktivitäten.
Auf der gegenüberliegenden Terrasse einer Taverne-Pizzeria sitzen einige einheimische Männer und gehen auch dem Nichtstun nach.
Ich sitze bestimmt 2 Stunden hier, lese zwischendurch im „Fohrer“ und die Kellnerin bringt mir immer wieder ungefragt einige Leckereien, insbesondere süße, kleine Trauben zu denen natürlich auch Rakí gehört. Sie will einfach nicht, dass ich möglicherweise mit knurrendem Magen hier sitze und nicht ordentlich versorgt bin.
Hin und wieder kommen Pickups vorbei und ich amüsiere mich über die Tatsache, dass es für kretische Jungs nichts Größeres gibt, als Auto oder Pickup zu fahren, und sie nur auf den Augenblick warten, dass sie, ohne Sitzkissen, so groß sind, dass sie über das Lenkrad schauen können.. Der gerade vorbeifuhr, war höchsten 12 und ist natürlich mächtig stolz, gesehen zu werden. Deshalb fährt er in kurzen Abständen gleich zweimal vorbei. Das ist aber kein regionales Phänomen sondern sieht man überall auf Kreta. Polizei gibt’s entweder nicht oder sie schaut weg.
In den Gebrauch von Waffen, insbesondere Schusswaffen, werden die Kinder traditionell hier auch schon früh eingeführt (Donald Trump lässt grüßen).
Es ist nicht lange her, dass die griechische Regierung Militärtruppen geschickt hat, um dem vermeintlich kriminellen Drogen-und Waffenhandel den Garaus zu machen. Der mediale Druck wurde wahrscheinlich zu groß. Ganz Zonianá hat sich ihnen entgegengestellt und es gab wohl eine Schießerei. Am Ende sind angeblich einige Zonianaer in Athen zu längeren Haftstrafen verurteilt worden.
Als ich aufbrechen will, habe ich eigentlich nur 2 Bier zu bezahlen, alles andere hatte ich ja nicht bestellt. Und sie will tatsächlich nur 4 Euro haben, was mir echt peinlich wäre. Gute Gelegenheit, meinen 50 Euro Schein quitt zu kriegen, 40 zurück, ine kalá. Efkaristó polí kai Sto Kaló!
Zeitgefühl kommt mir auf Kreta immer schon nach ein paar Tagen abhanden. Die Sonne steht schon tief und eigentlich würde ich ja gerne über einen alten Trampelpfad durch die schöne Landschaft zurückgehen, aber dafür ist es zu spät. Man verläuft sich schon bei Tag ziemlich leicht auf Kreta und ich müßte mich erstmal erkundigen, wo es lang geht. So gehe ich den Weg zurück durch den Ort, der mittlerweile deutlich belebter ist. In allen Kafeneíons sitzen Männer bei ihrem Ellinikó und der Fremde, der allein durchs Dorf streift, fällt natürlich auf. Ich müßte jetzt eigentlich am laufenden Band grüßen, aber um nicht den den Grüß-August abzugeben, schaue ich nur gelöst und gehe meines Weges hoch zum Ortsausgang.
Ich kann nicht unerwähnt lassen, dass vor einer Taverne schon wieder Massen von weißen Plastiktischen und -stühlen aufgebaut werden. Keine Ahnung, was hier schon wieder gefeiert wird. Jedenfalls bin ich heute nicht dabei.
Im oberen Teil des Ortes mache ich einen kleinen Schlenker zum Ortsrand mit Blick über das weite, landschaftlich abwechslungsreiche Tal. Es gäb bestimmt noch viel zu entdecken hier in Zonianá....
Zwei alte Frauen sitzen strickender und schwätzender Weise auf einem Betondach eines unfertigen Hauses. Ein typisches Bild. Hier ist natürlich Grüßen angesagt.
Ich gehe wieder in Richtung Ortsausgang über die Kreuzung auf die Straße nach Anógia.
Zufuss gehe ich jetzt nicht über die Straße zurück. Ich halte wieder den Daumen raus und es dauert nicht allzu lange, dass ein griechisches Paar mittleren Alters anhält. Sie kommen aus Zonianá und fahren nach Heráklion und können sie mich bis Anógia mitnehmen. Unterwegs der übliche Small-Talk und ich höre nicht zum ersten Mal, dass Kreta der schönste Teil der Welt sei.
Dem sollte man als Gast nie widersprechen-dem Kreter ist sein Haus, sein Dorf und seine Insel immer heilig.
Am unteren Ortseingang von Anógia lassen sie mich raus und ich gehe ins Unterdorf, um den Tag ausklingen zu lassen. Unterwegs fällt mir auf, dass ich meine Sonnenbrille auf der Rückbank des Autos hab liegen lassen, zum Glück nix teures.
Ich gehe natürlich in meine Stammtaverne mit dem Flammengrill und warte darauf, dass ich Hunger bekomme. Bis spät in der Nacht sitze ich hier, habe Wlan-Empfang, esse und trinke gemächlich und ausgedehnt, diesmal mit Genuss, natürlich Ziege und Schaf von Grill und alles Mögliche dazu. Der Appetit kommt manchmal beim Essen. Am Ende sieht mein Tisch aus, als hätte eine kleine Gesellschaft hier gesessen. Musste mal sein.
Ich gehe dann nur noch schlafen und morgen will ich hoch zur Nida-Ebene, meinem Freund Zeus einen Besuch abstatten.