Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Völkerverständigung
Otto
6.November.2007, 07:45
Hallo,
folgender Artikel steht heute in unserer Tageszeitung:
Völkerverständigung (http://www.wiesbadener-tagblatt.de/region/serie/lebensspuren/objekt.php3?artikel_id=3036266)
Man sollte nicht vergessen, dass es neben schrecklicher Kriegsverbrechen auch Freundschaften zwischen deutschen Soldaten und der kretischen Bevölkerung gab. Die Geschichte von Robert Lebold ist herausragendes Beispiel dafür.
Gruß Otto
Heinz-Oz
6.November.2007, 08:05
Und Kriegsverbrechen nicht nur von deutschen Truppen veruebt wurden. Wie mir mal ein alter Kreter in Anoghia sagte: "Auch wir haben im Krieg Sachen gemacht auf die wir heute nicht mehr Stolz sind". Dabei sollte man es belassen. Es bringt nichts diesen alten Kram immer wieder aufzuwaermen.
Yvonnchen
6.November.2007, 10:17
Es bringt nichts diesen alten Kram immer wieder aufzuwaermen.
Stimmt! Hast es auf den Punkt gebracht Heinz-Oz
Otto
6.November.2007, 10:24
Hallo,
ich habe mal den Text eingefüht, damit man nicht dem Link folgen muss, ist ein wenig bequemer.
Gruß Otto
Ein Friedensbaum im Feindesland
Robert Lebold schließt mitten im Krieg Freundschaft mit einer kretischen Dorfgemeinschaft
Vom 06.11.2007
Von
Helga Boschitz
Wenn der fast 93-jährige Robert Lebold sich an die Zeit vor über 60 Jahren erinnert, leuchten seine Augen. Der gebürtige Wiesbadener hat in jener Zeit etwas erlebt, das alle Gräuel des Krieges in den Hintergrund treten lässt: seine herzliche Freundschaft mit den Bewohnern der kretischen Kleinstadt Kastelli-Pediados. Entstanden ist diese tiefe Zuneigung ausgerechnet während der deutschen Besatzung Kretas - und sie dauert bis heute an. Der rüstige alte Herr, der heute in einem Seniorenheim lebt, wurde inzwischen sogar mit einem ihm gewidmeten Bildband von der Gemeinde Kastelli geehrt.
"Ich habe schon als kleiner Junge von Kreta geträumt", schwärmt der 1914 geborene Robert Lebold, "wenn es um die Geschichte Griechenlands ging, hat mich Kreta immer am meisten fasziniert." Doch musste erst der Zweite Weltkrieg ausbrechen, um dem jungen Mann seinen Herzenswunsch zu erfüllen: Kreta endlich mit eigenen Augen zu sehen, Land und Bevölkerung persönlich kennen zu lernen.
Der gelernte Lithograf war bei der Luftwaffe für die Auswertung von Luftbildern zuständig. Über Sizilien und Athen führte sein Weg im Mai 1942 zu seiner Trauminsel: er landete auf Kreta, wurde in der kleinen Stadt Kastelli-Pediados stationiert und suchte sofort Kontakt zu den dort lebenden Menschen. Wie aber konnte es einem Soldaten der deutschen Besatzungsmacht gelingen, die Freundschaft der Einheimischen zu gewinnen? "Bestimmt haben die Leute gleich gespürt, dass mein Interesse an ihnen und ihrer Kultur von Herzen kam", sagt Robert Lebold.
Der "Feind" hatte in kürzester Zeit das Vertrauen der Griechen gewonnen - ein Vertrauen, das sehr weit ging: er wurde um tätige Hilfe gebeten. "Im Hospital von Athen lagen verwundete Soldaten aus Kastelli, die Hunger litten. Ihnen sollte ich auf meinen regelmäßigen Flügen zum deutschen Hauptquartier in Athen Essenspakete bringen", erzählt Lebold. Spontan sagte er seinen neuen Freunden Unterstützung zu - freilich nicht ohne zu kontrollieren, ob die Pakete tatsächlich nur Essen und nicht etwa auch Waffen oder andere Schmuggelware enthielten - was nie der Fall war. "Ich wollte meinem Vaterland natürlich nicht schaden", sagt der Senior mit fester Stimme, "aber vor allem war es mir wichtig, in all der Unmenschlichkeit des Krieges etwas Menschliches zu tun."
Dass der deutsche Soldat nun regelmäßig mit Verpflegung an den Krankenbetten der Freunde und Verwandten auftauchte, nahm die griechischen Dorfbewohner endgültig für ihn ein. Auch wenn Robert Lebold nur wenige Brocken Griechisch sprach, gelang die Verständigung ohne viele Worte. Das Eis war gebrochen, Freundschaften fürs Leben wurden geschlossen, der Kreta-Begeisterte war viel mit der Kamera unterwegs, dokumentierte das Dorfleben mit zahlreichen Fotos. "Manchmal habe ich fast vergessen, dass Krieg war", lacht er heute, "ich hatte - trotz allem - eine unglaublich schöne Zeit!"
Dennoch - dass der Zweite Weltkrieg in den Jahren zwischen 1942 und 1945 auch auf Kreta in vollem Gange war, ließ sich nie vergessen. Auch über der Insel wurden Bomben der Alliierten abgeworfen, immer erbitterter wurde auch der Widerstand der griechischen Partisanen, die, meist von den Bergen aus, die verhassten Besatzer bekämpften. Ausgerechnet diese Partisanen waren es aber, die Robert Lebold letztlich zu seiner Ehrenbürgerschaft in Kastelli verhalfen.
Abenteuerliches weiß Robert Lebold von der letzten Kriegsphase auf der Mittelmeerinsel zu berichten. Im September 1944 hatten fast alle Deutschen Kreta verlassen, Lebold und sein Kommando waren als letzte zurückgeblieben. Um einen ungestörten Abflug sicherzustellen und unnötiges Blutvergießen zu vermeiden, zeigt der Mann, den inzwischen alle nur noch "Roberto Topographos" ("Robert der Topograf") nennen, Todesmut: Er wagt sich persönlich zu den Partisanenführern in die Berge. "Die hatten kurz zuvor schon einen Griechen, der verhandeln wollte, erschossen", berichtet Lebold, immer noch aufgeregt bei der Erinnerung an jene Stunden: "Auf dem Weg nach oben habe ich wirklich um mein Leben gefürchtet!"
Doch war der gute Ruf des "Roberto Topographos" offenbar bis zu den Partisanen vorgedrungen. "Nicht ein Haar wurde mir gekrümmt", so Lebold, "im Gegenteil, der Partisanenführer hat sich mir gegenüber sogar sehr respektvoll verhalten!" Die Verhandlungen verliefen erfolgreich: die letzten Besatzer durften die Insel unversehrt verlassen, im Gegenzug blieb das von den Deutschen errichtete Elektrizitätswerk in Betrieb und konnte so die Bewohner Kastellis noch bis weit nach dem Krieg mit Strom versorgen.
Die intensive Verbindung zwischen Robert Lebold und der Gemeinde Kastelli ist bis heute nicht abgerissen, die deutsch-griechischen Freundschaften sind durch zahlreiche Besuche Lebolds und seiner Familie in den vergangenen Jahrzehnten weiter vertieft worden. Sogar die ehemaligen Partisanenführer haben "Roberto Topographos" mehr als einmal herzlich bewirtet. "Wir haben uns die Hände gereicht und gemeinsam der vielen Deutschen und Griechen gedacht, die während der unglückseligen Kriegsjahre ihr Leben lassen mussten", sagt Robert Lebold bewegt. Mit größtem Stolz zeigt der betagte Mann mehrere Urkunden vor, in denen die Gemeinde ihm seine guten Taten während des Krieges offiziell bescheinigt, ihm Dankbarkeit und Respekt ausdrückt.
Die schönste Ehrung durch die griechischen Freunde wurde ihm vor wenigen Jahren zuteil: Aus 280 Fotos, die Robert Lebold zwischen 1942 und 1944 aufgenommen hat und die das Dorfleben jener Zeit eindrücklich dokumentieren, ist ein griechischer Bildband entstanden, der als Titel Lebolds Namen trägt, seinen Lebenslauf in deutscher und griechischer Sprache präsentiert und ihm persönlich gewidmet ist. Das Buch soll nach und nach an alle Haushalte Kastellis verteilt werden. So ist es ausgerechnet einer der ehemaligen Besatzer, der den Menschen einer kleinen kretischen Stadt zu einem eindrucksvollen Zeugnis ihrer Geschichte verholfen hat - ein ganz besonderer Fall von Völkerverständigung.
Quelle: Wiesbadener Tagblatt vom 06.11.2007
erakikos
6.November.2007, 10:32
Es bringt nichts diesen alten Kram immer wieder aufzuwaermen.
Da stimme ich dir im Prinzip zu. Vergessen darf man den "alten Kram" aber auch nicht. Die Gefahr, dass so etwas noch mal passiert ist ziemlich groß. Die ewig Gestrigen kommen wieder aus ihren Löchern. Haben wir ja jetzt gerade erlebt.
Gruß
Heinz
Heinz-Oz
6.November.2007, 10:49
Natuerlich hast Du Recht. Und derartig positive Geschehnisse darf man nicht in Vergessenheit geraten lassen. Dazu werden wir aber nicht benoetigt. Das geschieht vor Ort durch die Betroffenen und deren Nachfahren.
Ansonsten spiegelt dieser Vorgang nur meine eigene Ueberzeugung, und die so vieler anderer Forumsmitglieder, wieder, man muss Mensch bleiben. Robert Lebold und seine kretischen "Wiedersacher" haben klar bewiesen, dass selbst unter Nationalistischem Wahnsinn, es moeglich ist Mensch zu bleiben. Man muss nur wollen. :Knuddel:
mino
6.November.2007, 12:50
Robert Lebold und seine kretischen "Wiedersacher" haben klar bewiesen, dass selbst unter Nationalistischem Wahnsinn, es moeglich ist Mensch zu bleiben. Man muss nur wollen. :Knuddel:
Hut ab vor diesem Menschen!
Das mit dem Wollen und auch Können war aber nicht so einfach, denke ich.
Der erste Freund meiner Mutter war auch in G. zu dieser Zeit, zu kämpfen für Volk und Vaterland. Zurück kam er im Zinksarg, gefallen für Führer und Vaterland.
Er ist aber nicht gefallen, wie sich viel später herausstellte, sondern erschossen worden von den eigenen Leuten, weil er eben bestimmte Dinge nicht mitmachen wollte. Die, die das miterleben "durften", haben sich späteren Befehlen nicht mehr widersetzt.
Ich weiss nicht wie ich unter den damaligen Umständen handeln würde.
Und wer das mit reinem Gewissen sagen kann....
Die heutige BRD ist immer noch nicht fähig, Menschen, Soldaten, die gewollt haben und dafür verurteilt wurden und bezahlen mussten, grundsätzlich zu rehabilitieren! da müssen Einzelverfahren geführt werden!
Aber grundsätzlich:
Ich sehe es auch wie Ihr: Man darf nicht vergessen und vielleicht lernen wir für die Zunkunft doch noch daraus, obwohl ich da wenig Hoffnung habe.
Man kann zwar aus D auswandern, aber leider nicht von der Erde...
Otto
7.November.2007, 08:00
Hallo,
kennet jemand von euch ähnliche Geschichten, wie die von
Robert Lebold (http://www.wiesbadener-tagblatt.de/region/serie/lebensspuren/objekt.php3?artikel_id=3036266)?
Gruß Otto
Marga
7.November.2007, 19:31
Otto, das ist eine berührende Lebensgeschichte.
Danke!
Marga
lommel
7.November.2007, 20:28
Offensichtlich hat es mehr solche Begegnungen gegeben, als man heute annimmt
Ich habe in meinem Wohnort einen alten Mann gekannt, der mir ein ganzes Stück von seiner Begeisterung für Kreta mitgegeben hat. Er war einer der Ersten, der bei der Operation Merkur in der Soudabucht an Land gegangen ist und anschließend lange auf Kreta stationiert war. Offensichtlich waren es nicht nur schlimme Verbrechen die von allen Seiten passiert sind, weder die Deutschen noch die Partisanen und schon gar nicht die Engländer waren ein Knabenchor.
Aber es gab auch einmalige Begegnungen, und sogar so etwas wie Liebe( hat er mir mit einem Schmunzeln erzählt ). Und vor allem hatte es Ihm eben die grandiose Landschaft angetan. Leider hat der Herr C. sein geliebtes Kreta erst nach der Wende 1990 wieder sehen können, ist aber dann fast jedes Jahr einige Wochen auf unserer Insel gewesen. Leider ruht er nun seit drei Jahren für immer. Einen Oleander hat er sich auf sein Grab gewünscht und bekommen. und an seinem Grab zu stehen ist fast wie ein Brückenschlag nach Kreta
Gruß lommel
AWI
1.September.2008, 20:50
Danke nochmal, Otto, für den Hinweis auf Robert Lebold. Ich habe jetzt mit ihm Kontakt aufgenommen und er hat mir viel Material geschickt und die Erlaubnis, seine wirklich sehr guten Photos aus der Besatzungszeit im kreta-wiki zu veröffentlichen.
Gruß
Annette
Otto
2.September.2008, 07:21
Danke nochmal, Otto, für den Hinweis auf Robert Lebold. Ich habe jetzt mit ihm Kontakt aufgenommen und er hat mir viel Material geschickt und die Erlaubnis, seine wirklich sehr guten Photos aus der Besatzungszeit im kreta-wiki zu veröffentlichen.
Gruß
Annette
Hallo Annette,
es freut mich das zu hören und ich bin auch schon auf die Fotos gespannt!
Gruß Otto
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