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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Kreta 1973



djac
1.February.2008, 21:45
Teil I.

Nachdem die Jahre 71 und 72 durch Klausens Berichte eine schöne Würdigung gefunden haben, will ich nahtlos mit einem Bericht über 1973 anschließen so gut es geht, denn so einiges ist doch im Laufe der Jahre verblasst.

Damals noch im jugendlichen Alter von 21 Jahren studierte ich im 4. Semester Physik in Aachen. Es mag schon so Anfang Juni gewesen sein, als mein guter Freund Uli meinte, daß es Zeit sei, daß ich mal den Süden kennenlernen würde und es ginge in vier Wochen für sieben Wochen los. Eine Gruppe von 7 Leuten und drei Autos hätte sich bereits zusammengefunden und ich als achter solle sie komplett machen, neben seiner Freundin Petra, zwei Kläuse, ein Armin, eine Anette und eine Monika (?), allesamt aus dem studentenbewegten Milieu und mir nicht unbekannt. Da sich die zusätzlichen Kosten der Reise nur auf ca. 200DM belaufen sollten, war mein Entschluß schnell gefaßt.

Der Juli rückte schnell heran, und da neben einer Wechselgarnitur Kleider, nur Zahnbürste, Haarschampoo, Zahnpasta und etwas Reservetabak sowie Schlafsack und ein wenig Lektüre das Reisegepäck ausmachten, waren die Reisevorbereitungen schnell getroffen und an einem Sonntag im Juli gegen 12 Uhr nachts ging es los. Es wurde getrennt gefahren, Treffpunkt Mi in Pireus an der Fähre. Ich stieg zu Uli in seinen Käfer ein. Wir erreichten München in der Frühe, wo Petra aufgesammelt wurde und wo wir mit einem frugalen Frühstück - zum letzten Male mit Wurst für längere Zeit - empfangen wurden.

So gestärkt verließen wir München und waren bald in Österreich.

Es muß bemerkt werden, daß ich damals noch keinen Führerschein besaß, was mich von der Fahrzeuglenkung ausschloß, mich aber auch im wesentlichen vom Schlafen abhielt, denn der gerade Nichtfahrer beanspruchte die gesamte Hinterbank, um wenigstens etwas an Schlaf zu finden, denn die Route sollte und mußte mit nur einer Übernachtung bewältigt werden.

Die schönen Alpen, dann der steile Wurzenpaß - ist mir der Name richtig in Erinnerung? - und gegen Nachmittag waren wir in Jugoslawien. Die Grenzformalitäten waren wohl kein größeres Problem, denn sie sind vollständig aus dem Gedächtnis entschwunden. Die Gegend, das heutige Slowenien, war beeindruckend schön, insbesondere erinnere ich mich an den Rückblick auf den Paß.

Wir eilten den Autoput entlang und dem Abend entgegen, die Gegend muß wohl inzwischen recht eintönig geworden sein, denn die wenigen manchmal aufblitzenden Erinnerungsfetzen zeigen eine endlose Landschaft mit Feldern. Wir hatten ja schon einiges an Abenteurlichem über die hiesigen Vekehrsgewohnheiten gehört, aber die Wirklichkeit sollte dann uns doch in Staunen versetzen: Es war schon ziemlich spät in der Nacht als ich plötzlich aus meinen Halbschlaf aufschreckte und, wohl wacher als der Fahrer, vor mir die kaum erkennbare Silouette eines LKW's bemerkte, dem wir uns mit erheblicher Differenzgechwindigkeit näherten. Ein kurzer Warnruf von mir verhinderte wohl eine Vollbremsung und Schlimmeres. Nach dem Überholmanöver konnten wir dann feststellen, daß wir offensichtlich wohl jemanden getroffen hatten, der schon damals die Klimakatastrophe heraufdämmern sah und ihr strikt energiesparend durch Ausschalten sowohl des Vorder- wie Rücklichts begegnen wollte.

Ohne weitere Zwischenfälle erreichten wir dann morgens Mazedonienen, damals ein stilles, bergiges Land, übertraten die griechische Grenze, wo uns als erstes das Phönix-Symbol der griechischen Junta ein unschönes Willkommen bereitet. Mittags erreichten wir den Olymp. Hier irgendwo kehrten wir in einer Taverne ein, um erst mal was ordentliches zu essen. Für mich war es neu, keine Speisekarte zu bekommen, sondern in die Küche geführt zu werden und dort die Speisen zu wählen. Dann gegen vier Uhr nachmittags - es muß wohl in der Nähe von Volos gewesen sein - verlassen wir die Hauptstraße, um einen kleinen Ort direkt am Meer anzusteuern und dort eine Übernachtungsmöglichkeit zu finden.

Einer der ersten, der uns begegnete, sprach uns in gutem Deutsch an. Er hatte etliche Jahre in Deutschland gearbeitet, wie er erzählte. Blitzschnell besorgte er uns ein einfaches Zimmer, hielt es für seine selbstverständliche Pflicht uns allen seinen Bekannten und Verwandten - und davon hatte er wirklich nicht wenige - vorzustellen. Überall wurden wir äußerst herzlich aufgenommen, und zu Essen und Trinken eingeladen. Der Abend wurde wahrlich lang und feucht und sehr fröhlich. Griechenland begann mir immer besser zu gefallen.

Ein Bad im Meer in der schon heißen Morgensonne, ein kurzes Frühstück, drei bis vier Kaffee um die Geister des Alkohols in den Hintergrund zu drängen und schon ging es weiter Richtung Athen. Schöne, abwechslungsreiche Landschaft zieht vorüber, an eine Ebene erinnere ich mich mit viel Weinanbau. In Pireus fanden wir auch den Rest der Gruppe wohlbehalten angekommen.

Die Fähre muß wohl gegen Abend losgefahren sein, allerdings kann ich mich an die Nacht nicht erinneren, wohl aber an den ersten Anblick von Kreta, Land des Minos und Geburtsstätte von Göttern: von entrückter Schönheit im grünblauen Meer, mit seinen hohen Bergen und im gleißenden Morgenlicht schimmernd.

Wir fahren in die Bucht von Souda ein, vorbei an einer Insel mit alten Befestigungen, der Fährhafen ist laut, es ist nicht der schönste Ort. Also verharren wir nicht lange und brechen auf zu unserem ersten Ziel: der Bucht von Falasarna ganz im Westen der Insel. Das Land, durch das wir jetzt fahren, ist recht grün bewachsen, die Felsen steigen steil an, doch bald öffnet sich die große Ebene von Chania. Durch Chania sind wir nicht gekommen, also muß es schon ein Stück New Road gegeben haben. Die Karte von damals, die ich heute noch habe, ist dabei keine gute Gedächtnisstütze: in ihr ist die New Road so eingezeichnet, wie sie erst vor wenigen Jahren fertiggestellt wurde. Schon bald nach Chania befinden wir uns auf der Old Road, denn sie führt nicht weit vom Meer entlang. Die Gegend ist auch damals schon dicht besiedelt, aber wenn die Erinnerung nicht täuscht, so gehen die Orte damals nicht ineinander über, wie das heute der Fall ist. Große Schilffelder (Bambus ?) fallen uns auf.

Am Soldatenfriedhof von Maleme verweilen wir. Die vielen weißen Kreuze, Mahnung der Toten an die Lebendigen, ein unsichtbarer Schatten scheint kurz das sonnenhelle Land zu streifen: so viel Leid, so viel Blut seit Jahrhunderten schon in diesem Land voller Leben. Der Gegensatz ist deutlicher als anderswo.

Wir fahren an diesem Tag nicht mehr weit, bald finden wir ein schönes Plätzchen am Strand unweit eines großen Schilffeldes. Wir entzünden das Lagerfeuer, ein kurzes Mahl, ein paar Gläser Wein, es ist wunderschön dem Meer zu lauschen, aber wir werden nicht alt an diesem unserem ersten Abend in Kreta.

Der nächste Teil handelt von unserem Aufenthalt in Falasarna.

charalambos
1.February.2008, 21:58
Sehr schön geschrieben Djac!
Es kommen immer mehr aus ihren Löchern (Spaß)
Es macht richtig Freude die alten Erlebnisse zu lesen.
Gruß Charalampos

Kreta-Klaus
1.February.2008, 22:08
Sehr interessant und schon geschrieben, djac, und es deckt sich voll mit meinen eigenen Erlebnissen ... so war es eben damals. Mach bitte weiter!
Gruß Klaus

djac
2.February.2008, 02:09
Teil II.

Wir lassen es jetzt gemütlich angehen, bevor es weiter geht, wird erst mal gefrühstückt und dann geschwommen. Wie an jedem Tag dieser Reise ist das Wetter warm und es ist kein Wölkchen zu sehen. Der Himmel ist von einem strahlendem Blau, aber in der Ferne ist es etwas diesig, ein typisches "Hoch"-Wetter also. An der Nordküste geht immer ein leichter Wind, der auch die Mittagshitze erträglich macht. Wir brauchen ca. 2 Wochen zur Eingewöhnung, in denen wir uns mit Sonnenöl einreiben müssen, danach geht es auch ohne.

Irgendwo zwischen Chania und Maleme hatte unsere Gruppe Zuwachs bekommen, als wir drei Personen mitnahmen. Niko (hoffentlich ist der Name richtig) aus Hamburg mit seiner Schweizer Freundin und ihrer Schwester. Dieses Zusammentreffen war von besonderer Wichtigkeit, weil Niko ein Halbgrieche war, der sowohl Deutsch wie griechisch konnte und uns den Kontakt zu den Einheimischen doch sehr erleichterte. Wir bleiben übrigens dann die gesamte Tour zusammen.

Der weitere Weg führt uns kurz vor Kolymbari an einer Kaserne vorbei. Auf einem hölzernen Turm, der aussieht wie ein Wachturm eines amerikanischen Forts, steht ein einsamer Soldat in voller Montur, er scheint uns nicht wahrzunehmen und tief in seinen Träumen von einem besseren Leben versunken. Kolymbari ist viel kleiner als heute. Dann schraubt sich die Straße aus der Ebene durch das gebirgige Land am Fuße der Rodopou-Halbinsel, es wird schlagartig einsamer und karger. Nach einiger Zeit und etlichen Kurven öffnet sich der Blick auf die Ebene von Kissamos. Zur Linken wird die sonderbare Felsformation des Berges an der Topolia-Schlucht sichtbar - ich erkläre ihn in Gedanken zu meinem Berg. Das Panorama an dieser Stelle hat irgendwie einen besonderen Reiz, obwohl ich den Grund dafür nicht nennen kann, denn es gibt Atemberaubenderes. Dennoch, obwohl ich in diesem und späteren Jahren ganz Kreta kennenlernen sollte, diese Gegend hat sich stets ihre Besonderheit für mich erhalten. Obwohl es zunehmend kahler und karger wird, ist es ein helles, freundliches Land, was sich dem Auge darbietet.

Kissamos, dieses 4000 Seelen Städtchen hat sich von allen Orten in Kreta wohl am wenigsten verändert. Auch heute noch ist der Tourismus eine Randerscheinung und der kleine Ort ist beschaulich geblieben. Nur der Autoverkehr hat enorm zugenommen. Wir versehen uns mit einigen Lebensmitteln in Kissamos und staunen über die Preise. Eine 5 Literflasche Retsina kostet fast nichts und die Zweiliterflasche Ouzo ist auch nicht viel teuerer. Die genauen Preise habe ich nicht alle behalten. Nur, daß der dopplete Ouzo in Chora Skakion damals 7 Pennig kostete und ein reichliches Mahl, einschließlich eines guten und umfangreichen Schlucks Wein nie mehr als 2 DM. Die Zigaretten waren aus orientalischen Tabaken und schmeckten besser als das Kraut, was man in der Heimat bekam.

Nach Kissamos führt die asphaltierte Straße noch bis Platanos, wo sie damals endete. Ein Schotterweg führt ab zur Bucht von Falasarna. Der Weg windet sich zunächst durch eine kleine Siedlung, zwei sehr alte Häuser engen an deren Ende die Straße sehr ein und dann sieht man sie plötzlich, die Bucht von Falasarna. Hoch stehen wir über ihr, der Blick reicht bis zur Inselfestung Gramvousa. In der ganzen Bucht wird Landwirtschaft betrieben, Oliven und Tomaten, ob es damals allerdings schon die Gewächshäuser gab, weiß ich nicht mehr. Ich war zu oft später noch dort und die Bilder vermischen sich. Bewohnt ist die Bucht nicht, es gibt nur einige Hütten, in denen bei Bedarf die Bauern auch übernachten. Am Ende der Bucht hin zu der alten antiken Stadt gibt es auch damals schon eine Taverne, klein, sehr gemütlich, nahe dem Strand und etwas erhöht auf einem Felsen gelegen. Dort sollten wir dann die nächsten Tage so manchen Abend sitzen.

Wir blieben ungefähr drei Wochen dort und in der Erinnerung scheint es mir fast, als wäre der Aufenthalt dort nicht Wirklichkeit sondern ein Traum gewesen. Einige Szenen haben sich mir so scharf und farbenprächtig eingeprägt, daß sie schon wieder unnatürlich wirken, vieles andere ist blass und schemenhaft und irgendwie ist die Erinnerung zeitlos, so als hätte wir viele Lebensalter dort verbracht.

Quartier nahmen wir in den Höhlen am Strand. Ein wenig störten die Ratten, die auch dort hausten, aber wir gewöhnten aneinander. Die Westküste von Kreta ist etwas besonderes, weil die Lichtverhältnisse dort anders sind. Tags ist das Licht so, daß das blaue Meer im Sommer nahtlos in den blauen Himmel übergeht und kaum ein Horizont erkennbar ist. Am Abend zeichnet sich der Horizont in der sinkenden Sonne scharf ab. Auch die Farben und Lichtspiele der Südküste sind schön, aber die der Westküste sind unvergleichlich.

Tags waren wir viel im Wasser und lernten das Tauchen. Die ganze Bucht ist nicht sehr tief, so maximal 12m. Am schönsten war es meerseitig an der die Bucht begrenzenden, ca. 1Km vom Strand entfernten kleinen Insel zu tauchen, dort endete die Bucht und es ging steil bergab, so ca. 20m tief kamen wir schon nach einiger Zeit der Übung. Das Meer war dort unglaublich bunt und farbenprächtig. Ein kleines Abenteuer war auch das Tauchen in der Nähe des Hafens der alten Ruinenstadt, dort lag noch viel Altes herum. Gut erinnere ich mich an zahlreiche Amphoren, die dort schon seit hunderten von Jahren auf dem Grund lagen.

Abends aßen wir in der Strandtaverne oder fuhren wir zum Essen nach Platanos, später wurden die Feuer entzündet und es wurde getrunken, erzählt und viel gelacht, nur wenn einer der beiden Kläuse seine Gitarre zur Hand nahm wurde es still und gedankenverloren lauschtem wir dem Dreiklag der Musik, des knackenden Feuers und dem Rauschen des Meeres.

In der Taverne verkehrten regelmäßig zwei Fischer, mit denen wir uns ein wenig anfreundeten. Die hatten es vor allen Dingen auf Hummer abgesehen, die wohl gute Preise erbrachten. Dank Niko's Übersetzungskünsten konnten sie uns viel erzählen über das karge und einfache Leben, daß die ansässige Bevölkerung führte. Das Herz der meisten Einheimischen schlug damals übrigens links, auch die beiden Fischer sympathisierten mit der kommunistischen Partei. Wir haben in der Zeit selten Leute auf Kreta getroffen, die die Junta unterstützten. Eines Abends brachten sie uns fangfrische Hummer mit, die sofort in der Taverne zubereitet wurden, und es wurde ein besonderer Abend. Es war ihr Abschiedsgeschenk, denn Tags drauf brachen sie zu einer längeren Fahrt auf. Wir haben sie nicht wiedergesehen.

Die Reste der alten antiken Stadt Falasarna, die auch der Bucht ihren Namen gab, zog mich magisch an. Sie wurde irgendwann in der Antike gegründet und dann einige Jahrhunderte nach der Zeitenwende verlassen, nachdem ein Erdbeben den Westteil von Kreta um ungefähr 9m aus dem Meer gehoben hatte, worauf der Hafen der Seestadt auf dem Trockenen lag. Obwohl eigentlich nicht mehr sehr viel zu sehen ist, ist dies ein besonderer Ort, was wohl an der Landschaft und der einmaligen Lage der Stadt am Hang eines Berges liegt, der als Halbinsel von drei Seiten vom Meer umströmt wird. Mit ein wenig Forscherdrang und Phantasie konnte ich die Siedlung, ihre Ummauerung und ihren Hafen recht gut rekonstruieren. Zu späteren Zeiten habe ich den Ort dann noch eingehender untersucht, und festgestellt, daß die Stadt den ganzen Berghang umfaßte und selbst auf dem Gipfel noch Tempel, Gebäude und Türme standen, deren Reste von unten nicht sichtbar sind. Der beleuchtete Stadthügel muß damals nachts einen beindruckenden Anblick geboten haben und die Signalfeuer auf der Bergspitze wiesen den Schiffen schon von Weitem den Weg zur Stadt und in den Hafen.

Der Teil III. handelt von der Fahrt nach Chora Sfakion.

spotty
2.February.2008, 06:13
Ebenso beeindruckend wie wunderbar, diese bildreichen Schilderungen ... und ein ganz klein wenig Wehmut kommt auch auf, dass es eben leider vergangene Zeiten gewesen sind, die hier beschrieben werden. Aber das ist wohl auch der Lauf der Zeit.

Und noch einmal die xte Huldigung für Klaus: ich weiß nicht, welche Muse Dich geküsst hat, als Du den Einfall für den Memorythread hattest --- aber es muss in jedem Fall eine der schönsten gewesen sein ...

Gruss
Spottyhttp://www.smileygarden.de/smilie/Nahrung/99.gif (http://www.smileygarden.de)

Kreta-Klaus
2.February.2008, 06:44
Keine "Huldigungen" nötig, Spotty, aber witzigerweise haben mich djacs Schilderungen von Falassarna auch an eigene Erlebnisse erinnert, die ich aus 1972 noch nachtragen werde ... denn da waren wir auch und im Prinzip könnte ich sehr ähnliche Dinge schreiben, wie er ... aber jedenfalls freut es mich, dass hier auch noch andere etwas von damals berichten wollen und können (und tun). Ich hatte die Insel ja nicht für mich allein. Und wer weiß, vielleicht hat sich der Eine oder Andere damals sogar getroffen und erinnert sich nicht mehr ... heute trifft man sich hier wieder ...
Gruß Klaus

PS.: Damals wurde ich noch häufig von Musen geküsst, dazu gibt es bald mehr in 1973, diese Muse war Engländerin, auch wenn man es nur schwer glauben kann ... :)

djac
2.February.2008, 12:29
Teil IIa.

leider existieren zu der Reise keine Fotos, bzw. die, die existieren sind mit ihren Besitzern in Raum und Zeit verschollen.

Damit man sich Falasarna ein bißchen besser vorstellen kann, anbei die folgenden Fotos, ganz frisch aus diesem Januar:

1. Gesamtschau der Bucht
2. Die Halbinsel der antiken Stadt
3. Die Insel, wo wir getaucht haben
4. Hinter dem Stadtberg, man sieht deutlich den alten Küstenverlauf
5. Auch hinter dem Stadtberg

Gruß Dieter

theo48
2.February.2008, 16:58
Wie spotty oben auch schon sagt ... Reise-Nostalgie ist was Schönes. Meine allererste Kreta-Übernachtung (1986, nach einer schlaflosen Nachtflug-Nacht in Iraklion) war in Kissamos (Kissamou Kasteli), mit 39 Grad Fieber im Bett! Warte auf die djac-Fortsetzung! Theo

djac
2.February.2008, 22:09
Teil III.

Rucksacktouristen, so wie wir - andere gab es im Westteil Kreta's sowieso keine - sahen wir selten in Falasarna, vielleicht 2 bis 3 mal die ganze Zeit. Möglicherweise war es damals noch zu abgelegen. Ein paar von uns versuchten von Platanos aus auf der Westküstenstraße weiter vorzudringen. Nach ein paar Km gaben sie entnervt auf. "ohne Jeep lebensgefährlich" faßte einer der Expeditionsteilnehmer zusammen.

Tags schien die Sonne hell und heiß, die Nächte waren lau und die Sterne funkelten in seltener Klarheit, zum Greifen nah. Ein Tag war wie der andere und ehe wir uns versahen war die Zeit vorbei, die wir uns gegeben hatten, denn wir wollten schließlich noch andere Ecken von Kreta kennenlernen. So kam der Tag des Abschieds.

Die Reise sollte zunächst kurz nach Rethymnon gehen, das Uli und einem der Kläuse aus einer früheren Reise schon bekannt war und einen Abstecher wert sein sollte. Danach wollten wir Choria Sfakion an der Südküste erreichen und dort etwas bleiben. Dann Irapetra, Agios Nikolaos, Sitia und Vai. Anschließend zur Fähre nach Heraklion. Aber bis dahin hatten wir noch mehr als drei Wochen Zeit.

Es kam bei mir etwas Wehmut auf, als wir die Bucht entgültig verließen. Noch ein letzter Blick des Abschieds und nur die Götter wußten damals, daß es 23 lange Jahre dauerte, bis ich mein geliebtes Falasarna wiedersehen sollte.

Vor der Reise waren wir gewarnt worden, daß es im Griechenland der Obristen außerordentlich unangenehm werden könnte, wenn man in einen Verkehrsunfall verwickelt wurde, ob nun mit oder ohne Schuld. Kaum hatten mir Platanos verlassen und durchfuhren gerade eines der kleinen Dörfer auf dem Weg nach Kissamos, konnten wir uns selbst davon überzeugen, was dran war an dieser Geschichte. Uli, der Fahrer, bremst plötzlich, ich schaue hoch und sehe einen Mann auf dem Fahrrad mit einem Kind auf dem Rücksitz, der nicht nach links oder rechts schauend im Begriff ist, die Fahrbahn zu queren. Obwohl wir nicht mit hoher Geschwindigkeit fahren ist die Wirkung der Bremsen eher mäßig, weil die Räder auf dem Sand rutschen, der an dieser Stelle die Fahrbahn in nicht unerheblichen Mengen bedeckt. Der Wagen erfaßt, Mann, Fahrrad und Kind mit solcher Wucht, daß die Frontscheibe dabei zu Bruch geht. Nachdem der erste Schreck vorbei ist, stellen wir fest, daß uns und, wie ein Wunder, auch dem Kind nichts passiert ist. Der Mann ist nicht so gut weggekommen, aber wie sich später herausstellt, wohl nur Schnittwunden, Prellungen und Verstauchungen. Die Aufregung jedoch ist groß, die Polizei und Ambulanz wird gerufen und kommen bald. Es ist ein Glück, daß wir Niko dabei haben. Und es gibt genügend Zeugen, die aussagen, daß der Mann alleine Schuld hat. Dennoch müssen wir mit auf die Wache und werden dort einige Zeit festgehalten. Erst als wir zu Protokoll geben, daß wir auf Schadensersatzansprüche verzichten, läßt man uns zögernd ziehen. Wir besuchen noch kurz den Geschädigten, der uns auch keine Schuld gibt, und sehen zu, daß wir Land gewinnen, ehe die Polizei es sich wohlmöglich anders überlegt.

In Kissamos besorgen wir uns eine Plastikplane, die die Windschutzscheibe vorläufig ersetzen muß. Eine neue Frontscheibe ist nur in Rethymnon zu bekommen und muß bestellt werden. Lieferzeit eine Woche. Abends kommen wir dann ohne weitere Zwischenfälle in Rethymnon an.

Rethymnon ist wirklich eine Reise wert. Heute immer noch, erst recht 1973. Und die Stadt war damals viel kleiner, die ganzen Siedlungen, die sich heute bis zur New Road hinziehen, existierten noch nicht. Direkt hinter dem Parkplatz am Stadttor, befanden sich Schilffelder. Dort haben wir auch geschlafen. Die Stadt war voller Leben, daran erinnere ich mich noch gut, und ich hatte das Gefühl, daß wir in einer mittelalterlichen Stadt eingekehrt seien, einen Eindruck, den die engen Gassen mit ihren alten Häusern - zum Teil nicht bewohnt und in verfallendem Zustand - und die kümmerliche nächtliche Beleuchtung wohl hervorrief.

Am nächsten Tag wird das mit der neuen Frontscheibe geklärt und ich weiß noch, daß wir beschließen zur Südküste zunächst mit der Plastikplane zu fahren und Uli dann zwischendurch zurück will, wenn die neue Scheibe da ist. Ob wir direkt noch am selben Tag aufbrachen oder noch einen weitern Tag in Rethymnon verbrachten, kann ich heute nicht mehr rekonstruieren.

Wohl aber ist mir die Fahrt durchs Landesinnere nach Chora Sfakion noch deutlich in Erinnerung. Es war besonders heiß an diesem Tag. Erst geht es durch ziemlich grünes Gebiet mit viel Zedernbewuchs, dann beginnt die Straße zu klettern, man erreicht die Hochebene von Askifou, die Straße trifft auf die Imbrosschlucht, die Straße wird enger und dann unvermittelt hat man einen überwältigenden Blick zur Südküste. Wie heute, bewegt sich auch damals die Straße in wilden Kehren nach unten und gibt immer neue Blicke frei. Auf dieser Seite sind die Berge gänzlich kahl, es ist kein Haus noch Ort zu sehen. Nur weit ab an der Küste sind die wenigen Häuser und das Kastell von Frangokastello auszumachen.

Wir erreichen die Ebene und biegen nach Chora Sfakion ab, in das wir nach wenigen Kilometern gelangen. Es ist ein sehr kleiner Ort, wirkt irgendwie verlassen in der Weite der umgebenden hohen und kahlen Berge. Von dem alten Dorf höher am Hang steht nicht mehr viel. Das neue Dorf um den Hafen besteht nur aus wenigen engen Gassen. Die Sonne scheint hier unerbittlich und es ist um einiges wärmer als an der Nord- und Westküste.

Wir sind die einzigen Reisenden hier, aber man bestaunt uns nicht, ein wenig Wandertourismus wegen der Samariaschlucht gibt es schon. Es gibt auch einige Fremdenzimmer zu mieten. Das unsere besteht aus einem Raum, mit drei Betten, hinter einem Verschlag ist das Klo. Tisch und Stühle hält man für überflüssig.

Es läßt sich gut aushalten dort. Tags sitzt man am Hafen, schaut aufs Meer oder geht am kleinen Strand in Ortsnähe baden. Abends sitzen wir vor der Taverne - wenn meine Erinnerung nicht täuscht ist sie die einzigste am Ort - dort wo mehrere Gassen aufeinanderstoßen und einen kleinen Platz bilden. Bald sind wir nicht mehr alleine, sondern ein Teil des Dorfes kommt hinzu und schnell ist eine Unterhaltung im Gange, wenn Englisch oder Deutsch nicht weiterhelfen, ist ja Niko zur Stelle. Mit einem Alten streiten wir uns, weil er für die Junta ist, er geht beleidigt. Die anderen haben nicht eingegriffen, aber sie scheinen seine Meinung nicht zu teilen. Es wird gut getrunken, zu dem Ouzo und Retsina werden immer kleine Leckereien gereicht, Oliven, Schnecken und auch etwas Schafskäse. Die Stimmung ist ausgelassen.

Eigentlich wollten wir kleinere Wanderungen unternehmen, es ist aber einfach zu heiß dafür. So genießen wir das wilde Bergpanorama, lesen, baden oder lassen einfach die Seele baumeln und träumen vor uns hin. Abends steht dann immer die Ortsversammlung an der Taverne auf dem Programm. Es sind schöne Tage und sie vergehen im Flug. Nach einer Woche ist es soweit und die Reise geht weiter zum nächsten Ziel, nach Irapetra.

Teil IV handelt vom Rest der Reise.

Britula
2.February.2008, 22:39
Hallo Djac,

....es ist ein Genuss Deine Erinnerungen an dieses "historische" Kreta zu lesen.
Es lässt sich so schön von der Insel träumen....
Danke dafür und mach weiter so !

Ilona
2.February.2008, 23:30
Hallo djac,

auch von mir ein herzliches Dankeschön für die tollen Erinnerungen. Es macht Spaß zu lesen. Mach weiter so.

Grüßchen Ilona

anette_sfakia
3.February.2008, 20:51
Hallo Djac,
danke, dass du deine Erinnerungen aufschreibst.
Gruß, Anette

djac
3.February.2008, 23:49
Teil IV.

War die Erinnerung und damit die Erzählung bis jetzt ohne große Lücken und einigermaßen flüssig, wird es jetzt schwierig. Mag es daran liegen, daß wir an den Orten nach Chora Sfakion immer nur kurz blieben, ihre Einprägung in die Gehirnwindungen also nicht so fest sind, daß sie 35 Jahre unbeschadet überdauerten, sei es aus dem Grund, daß nach 4 Wochen Kreta die Eindringlichkeit der Eindrücke abnimmt.

Kurz und gut, ich habe einfach keine Erinnerung mehr an den Weg nach Ierapetra und das, obwohl die Fahrt entlang der Südküste zu den beeindruckensten Routen auf Kreta gehört. Auch ist mir ein Besuch des Kastells von Frangokastello nicht in Erinnerung geblieben, an dem wir ja vorbeigekommen sein müssen und dessen einsame Verlorenheit Sinnbild für den Jahrhunderte alten, unbändigen Freiheitswillen der Sfakioten ist. Vielen ist vielleicht nicht bekannt, daß die Türken in der ersten Zeit ihrer Besatzung der Sfakia notgedrungen ihre Unabhängigkeit lassen mußten. Und wann immer sie danach versuchten, den Widerstand zu brechen, haben sie sich blutige Nasen geholt. Heute ist die Sfakia weitgehend entvölkert. Was die venezianischen, türkischen und deutschen Besatzer nicht erreicht haben, scheint der modernen Ökonomie gelungen zu sein.

Vielleicht haben wir in Plakias oder Agia Galini Rast gemacht, oder das alte minoische Festos besucht. Aber ich weiß es nicht mehr. Ierapetra hingegen habe ich als auch damals schon quirliges Städtchen in Erinnerung. An die Festung erinnere ich mich und meine, daß dort viel Lederwaren zu haben waren. Von hier haben wir einen Ausflug in die Berge gemacht. Hier ist es viel karger als im Westen, oft beinahe wie eine Mondlandschaft.

Wir blieben nicht lange dort, es ging nach Sitia, ein schönes Örtchen, vom dem ich aber keine Einzelheiten zu berichten weiß, nur daß man dort besonders gut aß.

Die nächste Etappe war Vai, wo wir einige Tage blieben. Es war schon vom Rucksacktourismus entdeckt, aber der Trubel hielt sich damals noch in Grenzen. Mir gefiel es nicht besonders.

Nun nähert sich das Ende der Ferien mit Riesenschritten. Es geht in Richtung auf Heraklion. Ein Zwischenstopp in Agios Nikolaos, noch an paar Tage Baden und Schwimmen an einem leeren Strand an der Nordküste bei einem Örtchen, dessen Namen ich vergessen habe. Es ist die ganzen Tage sehr windig und es gibt kein Entkommen vor dem Sand.

Der letzte Abschnitt führt nach Heraklion. Auf dem Weg dorthin begegnen wir den ersten Spuren des Pauschaltourismus. Ein Besuch in Knossos, wo es damals noch herrlich ruhig ist. Wir sind von den Ausgrabungen beeindruckt.

Dann entführt uns die Fähre in Richtung Athen, wo wir ein paar Tage bei Niko's Mutter unterkommen. Die Akropolis, der Athener Markt, wo ich eine schöne Decke erstehe, die lange Zeit halten wird, dann die Rückreise durch Jugoslawien, Österreich und nach sieben Wochen betreten wir wieder heimischen Boden.

Die Reise ist zuende. Der Alltag hat uns wieder.


Griechenland und Kreta insbesondere haben sich sehr verändert seit damals. Wir erlebten die faszinierende Seite. Aber die Wirklichkeit hatte auch ein anderes, zweites Gesicht. Jannis Ritzos hat dies in seinem Gedicht "Griechenland" festgehalten:

Abgeknickte Weinranken, Steine, Dornensträuche und ein Krug.
Das schmale Feld verwüstet. Das Haus seit Jahren schon verschlossen.
Vangelis kam seit damals nie zurück. Hinter dem Stall schimmert ein Stück Meer,
von tiefem Blau. Sein Pferd verkaufte er in schweren Tagen - ein rotes Pferd mit
einem weißen Flecken über dem linken Auge. Eine Möwenfeder fiel auf
die trockenen Zweige. In der Türe, gegenüber, stand die Alte: Auf ein paar solche
Nichtigkeiten, Sohn - sagte sie - beschränkt sich unser Leben. Der andere sagte
nichts. Er sah ins Weite, machte sein Kreuz und kam heran, als wollte er die Hand
der Alten oder jene Feder küssen.


Nachtrag:

Die nächsten Jahre führten mich im Urlaub vorwiegend in die Wälder und Gebirge Skandinaviens oder hin und wieder auch in andere Teile Europas. Erst 1996 kamen wir, meine Frau und ich, wieder nach Kreta. Wir landeten in Heraklion, es war heiß, aber es wehte ein sanfter Wind, die Berge leuchteten im hellen Sonnenlicht und der Geruch des wilden Oreganos begrüßte uns. Der Kreis hatte sich geschlossen.

Kreta-Klaus
4.February.2008, 00:07
djac,
ich wiederhole mich: Eine sehr eindringliche und schöne Beschreibung!
Und so viele Aussagen von Dir kann ich wirklich unterschreiben. Mit einem ganz dicken Stift!
Vielen Dank
Klaus

Ouarike
5.February.2008, 17:54
djac,
auch ich danke Dir für die langen und bunten Erlebnisberichte. Brachte mich glatt auf die Idee, meine vergessenen Tagebücher zu suchen - ich glaube ich hätte sie vergessen, wenn ich Eure Schilderungen nicht gelesen hätte.
Vielen Dank für den Energieanschub,
Ouarike

renagigi
5.February.2008, 18:11
Hallo djac,

ich habe erst jetzt, aber mit viel Begeisterung den kompletten Bericht gelesen.

Danke dass du für uns deine Erinnerungen aufgeschrieben hast.

djac
5.February.2008, 21:00
Es freut mich, wenn euch die Erzählung gefallen hat. Mit hat auch das Schreiben Spaß gemacht, dabei kommt man der Vergangenheit viel näher als sonst.

Gruß Dieter

spotty
6.February.2008, 08:28
... hat auch das Schreiben Spaß gemacht, dabei kommt man der Vergangenheit viel näher als sonst.

Gruß Dieter

Wie Recht Du doch hast!

Gruss
Spottyhttp://www.smileygarden.de/smilie/Nahrung/99.gif (http://www.smileygarden.de)

TomTom
6.February.2008, 12:54
Klasse, dass wid ja immer besser. Sehr schön und interresant...:jo:::smiley71::clap:

Aber langsam ägere ich mich schon das ich Kreta erst 1996 kennen gelernt habe und nicht früher...:wut::explo:

Viele Grüße
TomTom