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Kreta-Fluchten
Vielleicht gibt es eine Maximalhaltbarkeitsdauer von Vorfreude.
Meine Vorfreude auf meine diesjährige Kreta-Woche oder "Kreta-Flucht", wie ich sie dieses Mal nennen werde, scheint nah an das Verfallsdatum rangekommen zu sein.
Sie schnellte sozusagen im Januar 2010 mit Flugbuchung rapide nach oben, euphorisierend geradezu. Blieb lange auf hohem Niveau. - Und jetzt das! - So kurz vor dem Abflug, es war nichts mehr zu spüren.
"Bin ich jetzt krank?" "War´s das mit der Lebensfreude?", "Werde ich alt?"(so richtig meine ich, nicht an Jahreszahlen gemessen)
Ein paar Stunden vor Abfahrt meines Zuges zum Flughafen stand mein Rucksack ungepackt in einer Ecke und ich wusste nicht so recht was jetzt zu tun ist. - So was gab´s noch nie!!!
Zur Krönung des Ganzen haben mir meine beiden 8-jährigen Töchter eine filmreife Szene mit Tränen, Schreikrämpfen und Vorwürfen wie: "WIR WOLLEN AUCH NACH KRETA!!!!" "DU WARST DA SCHON SOOOO OFT UND WIR NOCH NIIIEEE!!!" "WIR WOLLEN AUCH MAL FLIEGEN!!!"........(Hilfe!!! Nichts wie weg! -und damit wären wir auch beim Titel meines diesjährigen Reiseberichts – Kreta-Fluchten)
Natürlich habe ich es dann doch irgendwie geschafft mein Zeug zu packen, ist ja nicht viel für eine Person und mir die Nacht auf dem Stuttgarter Flughafen um die Ohren geschlagen. Mein 13-jähriger Sohn meinte zwar, ich könne doch die Zeit nutzen und bei den Bahnprotesten gegen Stuttgart 21 mitmachen, vielleicht einen Baum besetzen! - Aber na ja, er ist halt 13.
Sie kam übrigens wieder mit voller Wucht zurück, die Freude. Und zwar genau in dem Moment, als ich das erste Mal wieder kretische Luft einsaugen konnte (atmen wäre zu schwach ausgedrückt, ihr kennt das ja).
JJJJEEEEEHHH!!! :spin:
Wenn man als "Alleinreisende" scheinbar sinnlos und planlos rumlächelt wirkt das zugegebenermaßen ziemlich albern, so ganz ohne Kommunikationspartner. Die Blicke meiner Mitreisenden gaben mir das zu verstehen. Aber egal! Ich bin also doch noch nicht zu alt!
Ich war da! Endlich Kreta!
Auf den Psiloritis wollte ich dieses Mal. Auf den Höchsten. Ich liebe die kretischen Berge.
ABER: Das Wetter!
Die letzten Tage habe ich intensiv die Wetterberichte, auch den Bergwetterbericht vom Ida-Gebirge, verfolgt. Und na ja, der klang nicht gut.
Ich kam am 17.10 an. Heute sah es noch ganz gut aus. Aber für Montag, den Tag, den ich für den Aufstieg geplant hatte war Gewitter vorhergesagt.
Ganz kurz hat sich der wahnwitzige Gedanke eingeschlichen, noch heute mit einem Taxi auf die Nida-Ebene hochzufahren, den "guten" Sonntag zu nutzen und aufzusteigen, oben in meinem Zelt zu übernachten und morgen vor dem Gewitter "ganz schnell" wieder abzusteigen.
- (Das lag bestimmt am Endorphinrausch und an der kretischen Luft) -
Ich war schon in Verhandlungen mit einem Taxifahrer, als mein vernünftiges Ich einschritt.
Die Verhandlungen wurden abrupt abgebrochen und ich schlich reumütig zur Bushaltestelle - wobei die Taxipreise mit zunehmendem Desinteresse purzelten.
Bis das Wetter sich bessert wollte ich an die Südküste. Das Stück zwischen Soughia und Agia Roumeli bin ich noch nicht gelaufen.
Es gab aber keinen Bus mehr nach Soughia, dann halt Paleochora, so der neue Plan.
Ich habe es bestimmt schon an anderer Stelle erwähnt, Busfahren auf Kreta ist toll. Man kann sich wunderbar treiben lassen. Irgendwo kommt man immer hin. Ich bekam eine Stunde Wartezeit in Chania geschenkt. Lies mein Gepäck am Busbahnhof und genoss einen köstlichen Kaffee an der Hafenpromenade.
Jetzt war ich wirklich da! - Flucht geglückt!
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AW: Kreta-Fluchten
Ich setze mich in kretischen Bussen meist relativ weit vorne hin. Da sitzen auch die Kreter, gleich hinter dem Busfahrer. Ein prächtiger Platz um der kleinen Konversation zu lauschen, Begrüßungszeremonien und Ähnliches mitzuerleben, soweit dies meine kärglichen Griechisch-Kenntnisse eben zulassen.
Meist ist ja das Wetter an der Südküste ein kleines bisschen besser. Dieses Mal aber ging die Fahrt vom sonnigen Chania erst mal in die Wolkenberge und der Wind von Süden wurde kräftiger.
In Paleochora gab´s aber bei der Ankunft doch noch etwas Sonne und eine letzte helle Abendstunde für ein Bad im Meer. An der windabgewandten Seite. Der Wind war dann auch das bestimmende Thema, warmer Südwind. Viele Tavernen hatten schon abgebaut, die wenigen noch offenen haben sich winddicht eingepackt. Es war eine ungewohnte Atmosphäre, besonders am östlichen Kiesstrand. Die Anlegestelle für die Fähre war zum großen Teil überspült. Prächtige Wellen mit viel weißer Gischt. Mächtig und wild.
Das Mittelmeer in Atlantiklaune.
Nachts gab´s für mich das erste Gewitter dieser Woche mit kräftigen Regengüssen. Mein "Vernunft-Ich" konnte sich ein "Siehste, ich hab´s dir ja gesagt!" nicht verkneifen. Aber trotz des Gepolters und Geblitze schlief ich bestimmt 10 Stunden durch. Was eine durchwachte Nacht so bewirkt.
Die ursprüngliche Idee, die Fähre nach Soughia zu nehmen glich angesichts der Wellen einer geplatzten Seifenblase. Also doch noch mal die Etappe vom letzten Jahr bis Soughia laufen. Aber es ist ja trotzdem nie das Gleiche.
Dieses Mal litt ich auch keinerlei Wassermangel. Es gab regelmäßige erfrischende Schauer von oben, mal kräftig - bei geöffnetem Mund fast zum Trinken genug - dann wieder wie bei einem Wasserzerstäuber (heißen die Dinger so?) - Bestimmt gut für die "reife" Haut.
Genau! - Ich traf fast niemand auf der Strecke. Auch keine Autos mehr auf dem ersten Schotterpistenabschnitt. - Fast, bis auf eines und dies fuhr dann doch tatsächlich mehrmals an mir vorbei. Hielt an und sein Fahrer lud mich ein mitzukommen.
„ WIIEE?- Was soll das denn?!“
Da dachte ich doch dieses "Thema" läge hinter mir. Aber das war schnell geklärt und mit Beginn des eigentlichen Wanderweges gab´s auch keine Möglichkeiten mehr zufällig vorbeizufahren.
Ich entdeckte den Schlafplatz vom letzten Jahr mit den Mandalas, stattete dem Tempel in Lissos brav einen Besuch ab und traf ab diesem Streckenabschnitt wieder viele Leute, Familien mit Kindern. Baden ging ja bei dem Seegang nicht so gut.
In Soughia war noch relativ viel los, aber auch hier hatten die Tavernen zur Meerseite schon einen Windschutz.
Eine herbstliche Stimmung lag auch hier über dem Ort und fast schlich sich ein wenig Wehmut ein. Den Sommer loslassen zu müssen, mit seiner Leichtigkeit.
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AW: Kreta-Fluchten
Auch diese Nacht gab´s Gewitter. Kräftige Blitze über dem Meer. Ein wildes Schauspiel.
Ich schlief schlecht diese Nacht, lag lange wach und vertrieb mir die Zeit mit dem Lesen meiner Wanderbeschreibungen. Ich hatte mir diese kopiert um Gewicht zu sparen. Bald lag ich in einem Gewirr, von Blättern, Busfahrplänen und wurde immer wacher.
Einer meiner Wanderberichtete behauptete, dass es bei meiner morgigen Etappe ein Strandstück gäbe, das bei starker Brandung nicht zu machen sei. „Was soll ich jetzt davon halten?“ – „Ich glaub´s einfach nicht und werde es ignorieren - so!“ Aber mein Vernunft-Ich ist mittlerweile ein richtiger „Rechthaber“ geworden und witterte Oberhand. „Dieses Mal gehorche ich aber nicht!“. Na ja, so ging das eine Weile hin und her, bis ich auf dem Busfahrplan den 7-Uhr Bus von Soughia nach Chania entdeckte. „Ich könnte ja morgen nach Anoghia fahren, zur Nida-Ebene wandern und ENDLICH die Wanderung auf den Psiloritis wagen!“ – Das war nun mal eine gute Idee!
Alle meine „Splitter-Ichs“ waren einverstanden.
So stand ich dann in der Dunkelheit morgens am Kiosk von Soughia und erwartete den Bus. Es gab überraschend viele Fahrgäste um diese Uhrzeit. Einige Wanderer, die sich zum Einstieg der Agia-Irini Schlucht hochfahren ließen. In den Dörfern stiegen viele Einheimische zu. Also wieder eine gute Gelegenheit „passiv“ griechisch zu lernen.
In Rethimnon hatte ich einen längeren Aufenthalt über die Mittagszeit. Aber es gibt „schlimmere“ Orte, um einige Stunden zu verbringen. Ich gab wieder meinen Rucksack an der Gepäckaufbewahrung ab und schlenderte durch die schönen Gassen Rethimnons. Stöberte in den Buchläden, verbot mir aber, Bücher zu kaufen (zu schwer) und stolperte kurz vor der Abfahrt des Busses geradezu in meine Reisebekanntschaft vom letzten Jahr.
Was es manchmal für Zufälle gibt und wie die Wege sich kreuzen!
Jedoch hatten wir dieses Mal nur 10 Minuten gemeinsame Reisezeit. Die Zeit zwischen zwei abfahrenden Bussen. Also, auch wenn ich mich wiederhole, Busfahren hat was!
Der Bus nach Anoghia war ein älteres Modell, so wie sie früher waren. Schaukeliger, enger und fast ausschließlich kretische Fahrgäste.
Anoghia selbst betrat ich mit einem beklommenen Gefühl. Die Verbrechen der Deutschen während des Krieges waren mir hier sehr bewusst und beschämten mich. Bei der Fahrt durchs Dorf habe ich nur ein wirklich altes Haus gesehen. Wie geradezu unglaublich und unsagbar kostbar ist die Gastfreundschaft der Kreter Heute uns Deutschen gegenüber. - Mit dieser Geschichte. –
In Anoghia übernachten wollte ich nicht, kaufte mir nur den Proviant für den morgigen Tag, genügend Wasser und eine Dose Mhytios für den Abend.
Ein riesiges Werbeschild am Ortsausgang kündete von einem Luxus-Skiresort in den Bergen. „Ist das jetzt schon Realität oder noch Planung?“ fragte ich mich ungläubig. Auf meiner Anavasi-Kate waren zumindest noch keine Skilifte eingezeichnet.
Ich lief los und das tat sehr, sehr gut. Trotz Asphalt, die Sonne schien und ich war sehr zuversichtlich.
Ich stelle mir beim Laufen mit schwerem Rucksack oft vor, wie ich mit jedem Kilometer innere Last loswerde. Besonders auf Asphalt und auf Schotterstraßen funktioniert das gut. Ich nenne das dann „Meditatives Laufen“. Also die Strecke von Anoghia hoch auf die Nida-Ebene hat diesbezüglich ausgesprochen viel zu bieten. Viele, viele Serpentinen! – Und irgendwann ist es auch mal genug mit Meditation. Um diese Uhrzeit fuhren natürlich keine Schäfer mehr hoch, eine zaghafte Hoffnung, die ich anfangs kurz hegte.
Mir wurde auch klar, dass ich es bei Tageslicht nicht mehr hochschaffen würde und wollte mich schon langsam nach einem sicheren Schlafplätzchen umsehen, als ein Kleinwagen mit einem jungen Paar neben mir hielt. „Ob ich mitfahren möchte?“ fragte mich die junge Frau. „OH, JA!“ welch Frage, und welch Glück mal wieder.
Es waren zwei Spanier. Sie wollten ebenfalls hoch zur Nida-Ebene und genau wie ich morgen zum Psiloritis aufsteigen. Vor zwei Tagen seien sie schon mal auf der Hochebene gewesen, hätten die Tour aber aufgrund des Wetters nicht angetreten. (Mein innerer „Besserwisser“ nickte und wollte gelobt werden)
Mit den letzten Sonnenstrahlen des Tages baute ich mein Zelt auf. Ein ausgesprochen schöner Platz neben einer Wasserstelle mit Steintischen und Bänken. Ich zelebrierte mein Abendessen, inklusive Mythios und konnte dabei den aufgehenden Mond beobachten.
Also, ich war mal wieder so ein richtiges „Glücksschwein“!
(Zitat: Nimmi im Chat)
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AW: Kreta-Fluchten
Die Nächte liefen dieses Jahr anscheinend nach dem immer gleichen Muster ab.
Es gab Gewitter, nur klang das hier oben in den Bergen noch gewaltiger.
Mein Mann hatte mir gestern noch den aktuellen Bergwetterbericht “gesimst“ (Morgens klar, im Tagesverlauf Wolkenbildung, gegen Nachmittag vielleicht etwas Regen und leichter Wind)
„Na ja, von Gewitter stand da nichts!“ – „Und leichter Wind geht anders“.
Aber ich sah das ganz optimistisch: „Jetzt regnet es den ganzen „leichten Regen“ ab und morgen ist das Wetter dafür umso prächtiger!“ –
Mein neues Leichtgewicht-Zelt (900 Gramm!) überstand die Bewährungsprobe. Es wurde nicht zerfetzt und ich blieb trocken.
Da ich dieses Jahr nachts eh kaum schlief (Gewitter, nahender Vollmond, „Kopfkino“… was auch immer der Grund sein mag) war ich mit anbrechender Dämmerung schon startbereit.
Die spanischen „Mit-Wanderer“ waren noch in ihrem Auto. Aber sie würden mit leichtem Tagesgepäck ohnehin schneller steigen und mich unterwegs einholen. Meine Stärke ist auch nicht die Schnelligkeit sondern eher die Ausdauer und Kraft.
Das Wetter hatte sich beruhigt. Es war klar. An manchen Stellen sogar himmelblaue Abschnitte. Nur der Wind hatte sich noch nicht wirklich gelegt. Kräftige Böen fegten die Wolken in rasantem Tempo vorbei.
Der Weg zog sich, schnell an Höhe gewinnend, in südwestlicher Richtung den Hang hinauf. Später folgte ein angenehmes Stück mit sanfterer Steigung im Talboden eines Seitentales. Dieses führte hinauf auf ein Joch. Von dort aus boten sich zwei Möglichkeiten des Weitergehens. Dem E4 folgend, kürzer jedoch auch ausgesetzter oder mit einem leichten Höhenverlust in die Kolita Senke absteigend. Von dort etwas geschützter in einem weiteren Hochtal nordwestlich Richtung Psiloritis. Mir schien letzte Variante sicherer. Bei sich verschlechterndem Wetter böte sie mir die Möglichkeit auf sicherem Terrain Richtung Kamares oder Lochria abzusteigen.
Kurz vor Erreichen des Jochs holte mich das spanische Paar ein. Wir unterhielten uns kurz und jammerten alle ein wenig über den beißenden Wind. Die Beiden gingen bald zügig weiter nahmen aber die Variante über die Südwest-Flanke des Kousakas. Ich blieb dennoch bei meiner Entscheidung und stieg mit einem Höhenverlust von etwa 100 Metern in die Kolita-Senke ab. Nach Durchqueren der Senke zog sich der Weg auf der anderen Seite ein Trockental hinauf.
Ja, und ab diesem Wegabschnitt wurde das Wetter zusehends schlechter. Es war schon zuvor ein ständig wechselndes Wolkenspiel gewesen. Von strahlendem Himmelblau bis Tiefschwarz. Bei jedem Blick nach oben anders.
Jetzt zog es völlig zu.
Die Sicht wurde immer schlechter beziehungsweise es gab sie nicht mehr. Ich war noch nicht allzu weit von der Senke entfernt, so dass ich mich entschied, wieder abzusteigen und der Fahrspur, die ich beim Durchqueren der Alm gesehen hatte zu folgen.
Lange nachdenken und „innere Beratungen“ waren für diese Entscheidung diesmal nicht nötig.
Kurz zögerte ich noch bei der Wahl der Abstiegsvarianten. Nach Kamares, streckenmäßig kürzer und bestimmt weitaus reizvoller einem Pfad oberhalb einer Schlucht folgend oder nach Lochria, der Fahrpiste entlang. Viele, viele Schotterpistenkilometer.
Mittlerweile stürmte und regnete es kräftig. Wie Nadelstiche im Gesicht. Mit gesenktem Kopf und dick eingepackt folgte ich der Vernunft gehorchend dem Weg nach Lochria. Ab Erreichen der Baumgrenze lockerte sich die Wolkendecke und erlaubte zwischenzeitlich Einblicke in die Tiefe.
Einige Stunden und zahlreiche Serpentinen später erreichte ich ziemlich durchnässt Lochria. Aber es war warm und zwischen den einzelnen Regengüssen schien sogar die Sonne.
Der Ort liegt an den Hang geschmiegt in einer Straßenkurve. Kein Busverkehr – zumindest nicht zu meiner Ankunftszeit.
Gefühlt war ich am heutigen Etappenziel angekommen. Die Karte sagte mir aber, dass es noch stattliche 18 Kilometer bis Agia Galini sind.
Kurz schielte ich zum Kafenion. Einige Männer saßen drin. „Sollte ich reingehen?“ fragte ich mich. „Aber so nass, welch Anblick!“ warf ich ein. „Ich bin ja nicht in Not und wenn man nass ist, soll man sich bewegen!“
Also weiter! Kurz nach dem Ortsschild hörte ich ein herannahendes Auto. „Jetzt aber, volle Konzentration.“- Und er hielt!- Ein Pick-Up.
Ich warf meinen nassen Rucksack auf die Ladefläche und stieg ein. „Agia Galini?“ fragte ich ihn hoffnungsvoll. „Ochi - Platanos“. Das waren gerade mal zwei Dörfer und 3 Kilometer weiter. Aber immerhin. Ich war froh. Wo ich denn herkäme, wollte er wissen. „Nidha“.
„Ahh!“.- Er schaute mich noch mal genauer an. Mittlerweile waren alle Scheiben beschlagen, trotz laufender Heizung und Gebläse. Alle Fenster mussten runter gekurbelt werden.
„Oh wie peinlich“, dachte ich „Ich bin eine Zumutung für dieses gepflegte Auto, so nass!“
Wir erreichten Platanos - und – er hielt nicht an!
Ich zeigte kurz nach hinten „Plantanos?“ – Er nickte, lächelte und fuhr weiter.
Ich lächelte auch und eine warme Welle von Dankbarkeit, Freude und Beschämung überflutete mich.
Bis ganz nach Agia Galini fuhr er mich. Ein ganz schönes Stück, gerade mal so.
Ich wollte ihm etwas geben, für den großen Umweg. Ganz zu schweigen vom nassen Autositz.
Aber ich hätte es wissen müssen!
Er war sehr empört darüber. Ich schämte mich noch einmal mehr.
Er streckte mir seine Karte entgegen. Ich soll, wenn ich mal wieder in Lochria bin, bei ihm im Kafenion vorbei kommen. Gemeinsam einen Kaffee trinken!
Ja, so war das mit meinem Ausflug ins Ida-Gebirge.
Das Glück hat mich wieder eingeholt.
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AW: Kreta-Fluchten
Hier noch ein paar Bilder hinterher.
( hab auf den falschen "Knopf" gedrückt)
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AW: Kreta-Fluchten
Hier hätte mein Bericht eigentlich enden können.
Denn in Loutro ankommen war tatsächlich wie zur Ruhe kommen - dachte ich.
Sie hat mich noch nicht losgelassen, die Lust auf die Berge. „Wenn schon nicht der Psiloritis dann vielleicht der Pachnes?“, fragte ich mich.
Das Wetter schien sich stabilisiert zu haben. Zwar hatte ich eigentlich nicht mehr genügend Tage übrig, um den ganzen Weg zu wandern, mit der dann notwendigen Übernachtung.
Aber mit einem Lift und einer Portion Glück könnte es vielleicht als Tagesausflug klappen.
So stieg ich dann am nächsten Morgen den Serpentinenweg von Loutro hoch nach Anopolis.
Der Himmel zeigte sich in strahlendem Himmelblau, keine Wolken, kein Wind.
Aber mir war klar, welches Wetter hinter der Bergkuppe auf mich wartet, bleibt bis kurz vor Anopolis eine Überraschung.
Oben angekommen genügte ein Blick - dies war eindeutig nicht die Woche für hohe Berge!
Die Lefka Ori waren wolkenverhüllt. Sie schienen keine Besucher empfangen zu wollen.
So stieg ich nun das letzte, kurze Stück zur Agia-Ekaterini Kapelle hoch und genoss den wunderbaren Ausblick auf´s Lybische Meer, verbrachte einige Zeit in der Stille und schlenderte langsam weiter.
Durch Anopolis, Aghia Dhimitrios, kletterte in den Ruinen des zerfallenen Kastells und fand mich irgendwann auf dem schmalen Wanderweg runter nach Livaniana.
Ich war lange schon nicht mehr dort gewesen. Tilmans Taverne kannte ich nur aus den Beschreibungen hier im Forum und aus dem Merian-Kreta-Heft.
Ich freute mich auf einen Kaffee und eine große Flasche kaltes Wasser.
Das bekam ich auch und obendrein eine Reise in die Vergangenheit, zumindest musikalisch …… „Imagine there´s no heaven - above us only sky..…living for today…” - Lange her und doch fast wie gestern.
Auch wenn man hier wunderbar die Zeit vergessen kann. Irgendwann wollte ich dennoch weiter und folgte dem Pfad Richtung Finx-Bucht.
Die Wolken hatten sich mittlerweile verdichtet und der Wind blies mir sacht ins Gesicht.
Dann kam der Punkt, an dem ich nicht mehr weiter gehen konnte.
Ich musste mich an einer Wegbiegung hinsetzen. Auf den felsigen Boden, der wie geschaffen dafür war. - Wie wenn er genau hier auf mich gewartet hätte.
Da blieb ich lang.
So lang, wie es braucht sich einzugestehen, loslassen zu müssen, nicht die Kontrolle zu haben und vieles nicht ändern zu können. Ganz gleich, mit welcher Kraft man auch dafür kämpft.
Ja und natürlich so lang wie es braucht, bis der Blick wieder klar ist.
Denn stolpern geht gar nicht!
Das verbleibende Stück des Weges ging ganz leicht. Ohne Anstrengung - leichtfüßig.
Ich verbrachte in Loutro einen letzten Abend in Stavros Taverne und wanderte in den frühen Morgenstunden des nächsten Tages wieder zurück nach Sfakia .
Der 11-Uhr Bus war rappelvoll. Heimreisezeit.
Ich hatte noch einen Tag in Bali, genoss ein letztes Mal das Bad im Meer und freute mich von ganzem Herzen auf meine Lieben daheim.
So, das waren nun meine „Kreta-Fluchten“.
„Fluchten“, die halt keine sind, da man seine „Ungeheuer“, denen man manchmal gerne entfliehen möchte, immer bei sich hat.
Was aber gewiss ist, es gibt Orte, die es einem leicht machen, die „Ungeheuer“ freizulassen.
Kreta scheint ein ganz vorzüglicher Ort dafür zu sein.
Für mich bestimmt.