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Thema: Ein Mal und nicht wieder?

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    Standard Ein Mal und nicht wieder?

    Hallo zusammen,

    dies ist kein Reisebericht im eigentlichen Sinn,
    es sind vielmehr Erlebnisse am Rande unserer ersten Kreta-Reise im Jahre 2000,
    die dem einen oder anderen ein Stück weit bekannt vorkommen mögen,
    die jemand anderen möglicherweise bewogen hätten, Kreta nie wieder zu betreten,
    Anja und mich haben sie aber in einer Weise beeindruckt, die uns beschließen ließ,
    wiederzukommen, um der Sache auf den Grund zu gehen.
    Da wir das bis heute nicht geschafft haben, wird uns nichts weiter übrig bleiben,
    als jedes Jahr erneut Forschungen anzustellen.

    Einmal und nicht wieder?!
    Oder: Wie wir am Kreta-Virus erkrankten.

    Wir saßen im Reisebüro. Griechenland sollte es sein. Warum nicht Kreta? Es ist die größte griechische Insel, da gibt es mit Sicherheit viel zu sehen und zu entdecken.
    Nach einigem Hin und Her buchten wir also das Hotel „*Mare Beach“ in Platanes bei Rethymnon.
    Endlich landen wir auf Kreta, „Kazantzakis“ nimmt uns Kreta-Erstpauschalis in Empfang.
    Irgendwann können wir dann auch unsere Koffer vom Transportband holen und uns nach der Reiseleitung umsehen.
    „*Mare Beach?“
    „Das ist Bus Nummer sowieso, schönen Urlaub!“
    Der Bus Nummer sowieso, wir fragen vorsichtshalber noch mal beim Fahrer: „*Mare Beach?“
    „Yes, please!“
    Rein in den Bus, es geht los. Wir gondeln über alle möglichen Dörfer, der Busfahrer sagt laut und deutlich die Hotels an, immer steigen ein paar Leute aus.
    Irgendwann hält der Bus wieder, der Fahrer sagt: „*Mare!“
    „Du, wir müssen aussteigen, unser Hotel!“
    „Glaub ich nicht, er hat nicht *Mare Beach gesagt. Du weißt doch, es gibt zwei oder drei Hotels, die * heißen.“
    Also bleiben wir vorerst sitzen, ich werde aber das Gefühl nicht los, dass das ein Fehler war. Nach einer ganzen Zeit hält der Bus, der Busfahrer sagt das Hotel * durch,
    ich gehe besser mal vor zu ihm und frage nach. Da habe ich den lieben Busfahrer aber auf dem falschen Fuß erwischt und erhalte eine erste Vorstellung von kretischem Temperament.
    Auf meinen Einwand, dass er das Hotel nicht *Mare Beach, sondern nur *Mare aufgerufen hat und wir deshalb nicht sicher waren, antwortet er:
    „Beach is Strand, is nix Name von Hotel! Du verstehst?”
    Meine Beschwichtigungsversuche laufen ins Leere. Er zitiert uns aus dem Bus, wirft unsere Koffer auf die Straße, hält ein Taxi an und verschwindet grußlos, um die Fahrt fortzusetzen.
    Sein Job wäre so einfach, wenn die dummen Touris einfach mal zuhören würden.
    Das Taxi bringt uns zurück zu unserem Hotel. Die anderen Gäste, die am richtigen Ort ausgestiegen sind, genießen bereits die Betten in ihren Zimmern,
    während auf uns die nächste Aufgabe in Gestalt des Nachtportiers wartet. Er spricht leider nur sehr wenig Deutsch, weshalb er uns bittet, englisch zu kommunizieren.
    Das ist eigentlich kein großes Problem, unser Gegenüber entwickelt aber einen derartigen Akzent, dass er genau so gut Griechisch hätte sprechen können.
    Nach einer guten halben Stunde babylonischer Gesprächskunst sind die Formalitäten erledigt und wir beziehen weit nach Mitternacht unser Zimmer im Parterre.


    Am anderen Morgen, es ist noch nicht 6.00 Uhr, weckt uns das Hotel mit einer sanften, aber hochfrequenten Massage. Der ganze Bau rumpelt.
    Was ist denn das jetzt? Rein in die Klamotten, raus aus dem Zimmer und Ursachenforschung betreiben. Im Keller werde ich fündig.
    Ein riesiger Generator, mit dem man vermutlich halb Rethymnon mit Strom versorgen könnte, angetrieben von einem noch größeren Schiffsdieselmotor,
    überbrückt die immer wieder auftretenden Stromausfälle. Na, damit können wir leben.


    Am nächsten Morgen finden wir das Wecken mit Vibrationsalarm schon lustig.
    RRRUMMS!!!
    Das Hotel wackelt, Scheiben bersten, Lampenverkleidungen fallen von der Decke, draußen fliegen Scherben herum. Dann Totenstille.
    Was war das? Ist das Stromaggregat explodiert? Über das Balkongeländer raus, die Wiese davor ist mit Scherben übersät, aber das Hotel steht noch.
    Ich stiefele zur Rezeption, um nachzufragen, was passiert sein könnte. Andere Hotelgäste hasten erschrocken über die Flure, keiner weiß so richtig, was man in dieser Situation tun soll.
    Die Rezeption ist verwaist, niemand da. Ich entdecke den noch Dienst habenden Nachtportier schließlich im Fernsehraum. Er schaut sich in aller Ruhe eine Sportsendung an.
    Auf meine Frage, ob er die Explosion nicht gehört habe, antwortet er nur: „Explosion? Nein. Wo?“
    Ich zitiere ihn zum Empfangstresen, er möge doch bitte die Polizei oder die Feuerwehr verständigen, dass diese die Ursache des Knalls herausfindet.
    Inzwischen haben sich noch mehr Hotelgäste an der Rezeption eingefunden, es bleibt ihm also nicht erspart, die Behörden zu informieren.
    Nach etwa 20 Minuten rückt die Feuerwehr tatsächlich an. Man hat extra für uns liebe ausländische Touristen den Großeinsatz befohlen,
    und so fahren sechs oder sieben Feuerwehrautos mit allem zur Verfügung stehenden Getöse vor dem Hotel vor.
    Inzwischen hat sich herausgestellt, dass die Explosion das Nachbargebäude, ein abgewirtschaftetes, geschlossenes Hotel arg gebeutelt hat, glücklicherweise brennt es nicht.
    Dieses Haus ist aber von unserem Hotel aus nicht zu erreichen, ganzes Feuerwehrkommando kehrt marsch, die nächste Straße nehmen.
    Sieben Feuerwehrautos drehen also mit Tatütata vor unserem Hotel. Wer einmal einen Kreter einen Lastwagen hat wenden sehen, kann sich ungefähr vorstellen, wie lange so etwas dauert.
    Zudem ist die Zufahrtsstraße so schmal, dass die Feuerwehrautos nicht aneinander vorbei fahren können. Es ist etwa 6.30 Uhr, die ganze Gegend ist hellwach.
    Bei der Explosion ist glücklicherweise niemand zu Schaden gekommen, vermutlich sollte eine Baugenehmigung beschleunigt werden, was auch erklärt,
    wieso unser Nachtportier und die Nachbarn des Hotels nichts gehört haben wollten.
    Nun ja, so ist Kreta wohl auch.


    Der nächste Morgen wartet mit einer neuen Überraschung auf. Wir sind gerade auf dem Weg zum Frühstück, als die Hotelsirene trötet.
    Sämtliches Hotelpersonal ist damit beschäftigt, die Gäste aus dem Hotel zu scheuchen und auf dem Vorplatz zu versammeln.
    Verunsichert durch die Ereignisse am Vortag, hat das Hotelmanagement eine Evakuierungsübung angesetzt. Man schafft es tatsächlich, in knapp 5 Minuten alle Gäste aus dem Haus zu holen.
    Mit solcher Art geschärften Sinnen lässt sich der Urlaub doppelt genießen.


    Nach einem erlebnisreichen Tag sitzen wir abends auf dem Balkon und lassen unsere Eindrücke Revue passieren.
    Ein recht großer Wuschelhund pirscht sich langsam über die Wiese an uns heran.
    Ich kann es nicht lassen: „Na du! Was bist denn du für Einer?“
    Offensichtlich hat der Hund nur darauf gewartet, angesprochen zu werden,bevor wir es verhindern können,
    ist er auf unseren Balkon geklettert und macht es sich zwischen uns bequem.
    Hunde sind im Hotel leider nicht erlaubt, das könnte jetzt Ärger geben. Was tun?
    Wir treten die Flucht nach vorn an, marschieren zur Rezeption um das Problem zu schildern.
    Am Empfang waltet unser Nachtportier wieder seines Amtes.
    „Yes, please?“
    „Auf unserem Balkon sitzt ein Hund.“
    „Hunde dürfen nicht ins Hotel!“
    „Das wissen wir. Es ist ja auch nicht unser Hund, er kam über die Wiese. Sehen sie vielleicht eine Möglichkeit, ihn wieder loszuwerden?“
    Der Nachtportier schaut uns einigermaßen ratlos an, entscheidet sich aber dann, das Problem aus der Nähe zu betrachten.
    Er folgt uns ins Zimmer, der Hund empfängt uns freudig wedelnd. Alle Versuche, den Hund vom Balkon zu zitieren, schlagen fehl.
    Mir kommt die rettende Idee. Vielleicht kann man ihn ja mit etwas Futter weglocken. Leider ist die Hotelküche schon geschlossen.
    Der Nachtportier gibt uns den Tipp, in der Strandtaverne, die zum Hotel gehört, nachzufragen, dort ist die Küche noch geöffnet.
    Ich begebe mich also auf den Weg. In der Taverne ist nur noch wenig Betrieb, der Kellner hat sofort Zeit für mich:
    „Was kann ich für Sie tun?“
    „Auf unserem Hotelbalkon sitzt ein Hund, den würden wir gern mit etwas Futter weglocken.“
    „Was habe ich damit zu tun? Das ist Sache des Hotels, nicht wahr?“
    „Im Hotel habe ich schon gefragt, man schickt mich zu Ihnen, weil die Hotelküche bereits geschlossen ist.“
    Er überlegt einen Augenblick, dann fragt er:
    „Was frisst denn so ein Hund?“
    „Fleisch oder Wurst, würde ich meinen.“
    Der Kellner verschwindet in der Küche, einige Zeit vergeht, dann erscheint er wieder:
    „Ich hätte noch ein paar Bauernwürstchen, ob der Hund die wohl frisst?“
    „Ich denke schon.“
    „Die sind aber kalt, soll ich sie anwärmen lassen?“
    „Er wird sie wahrscheinlich auch kalt fressen.“
    „Sind Sie sicher?“
    „Ich lasse es auf einen Versuch ankommen.“
    „Soll ich nicht vielleicht doch......?“
    „Vielen Dank, ich denke, der Hund frisst sie kalt.“
    „Wie Sie meinen!“
    Der Kellner verschwindet abermals in der Küche und bringt kurz darauf tatsächlich ein Paket mit ein paar Würstchen darin.
    „Vielen Dank! Was bin ich schuldig?“
    „Nichts. Gehen Sie und probieren Sie Ihr Glück!“
    Nun, den Hund wegzulocken, geht viel leichter, als gedacht. Er folgt willig der extra für ihn gelegten Spur aus Wurststückchen.
    Die Leute beobachten uns mit wachsender Begeisterung, wie wir so eine Runde durch das halbe Dorf drehen.
    Die letzten Stücken werfe ich im hohen Bogen in die Botanik, dass der Hund gehörig suchen muß, während wir zusehen, dass wir aus seinem Blickfeld verschwinden.
    Wir schlagen noch einen Bogen durch’s Dorf, genehmigen uns in einer Taverne ein Glas Wein und kehren zu später Stunde ins Hotel zurück.
    Ein vorsichtiger Blick auf den Balkon, ... unser Hundchen liegt dort zusammengerollt und schläft! Bei Leuten, die „Such das Würstchen!“ spielen, kann man es aushalten.
    Anderntags ignorieren wir unseren neuen Freund schweren Herzens, irgendwann trollt er sich tatsächlich von dannen.


    Nach einem erlebnisreichen Tag in Iraklion, wir hatten noch kein Auto gemietet, stiefeln wir Richtung Busbahnhof. Es steht eine Reihe Busse da, im Kiosk nebenan sitzt eine Truppe Kreter und palavert.
    Am Halteplatz nach Rethymnon wartet eine ansehnliche Menschenmenge aus aller Herren Länder. Die Abfahrtszeit ist etwa zwanzig Minuten verstrichen, die Menge wird langsam unruhig.
    Einer der palavernden Kreter erhebt sich, schlendert in aller Ruhe zu einem Bus, schaltet "Rethymnon" im Schilderkasten und fährt vor.
    In weniger als zwei Minuten ist der Bus rappelvoll, es geht drinnen kein Apfel mehr zur Erde.
    Nun gibt es aber in Überlandbussen aus Sicherheitsgründen keine Stehplätze, der Fahrer sieht sich also genötigt, alle Fahrgäste die stehen, wieder aus dem Bus zu zitieren.
    Diese wollen aber um jeden Preis nach Haus und zeigen sich ziemlich unbeeindruckt.
    So fährt er jedenfalls nicht weg, er stellt den Motor ab, steigt aus und bezieht wieder Platz im Kiosk, um sich mit einer Zigarrette und einem Elliniko zu beruhigen.
    Schließlich beschwichtigt ein anderer die inzwischen aufgebrachte Menge mit der Aussicht, daß noch ein zweiter Bus nach Rethymnon gehen wird.
    Mit einer guten Stunde Verspätung setzen sich dann tatsächlich zwei Busse Richtung Rethymnon in Bewegung, niemand bleibt in Iraklion zurück.
    Wieder was gelernt.


    Wir mieten uns ein Auto, einen Suzuki Samurai. Das einzige Auto, das zu einem erschwinglichen Preis noch zu bekommen war.
    Der Stoppelhopser macht einen recht gebrauchten Eindruck, ist aber in technischer Hinsicht durchaus in Ordnung.
    Auf unserer ersten Ausfahrt beschert uns ein kurzer Regenguß die Erkenntnis, daß Scheibenwischer auf Kreta ein ziemlich nebensächliches Detail sind.
    Jedenfalls ist nach Nutzung derselben die Scheibe derart verschmiert, daß eine Weiterfahrt einem Blindflug gleicht.
    Ich biege in die nächste Tankstelle ab, um die Frontscheibe zu putzen.
    Weit und breit kein Wassereimer und Schwamm in Sicht. Ich frage beim Tankwart nach. Es herrscht gerade wenig Betrieb, und so heißt er mich, im Wagen zu warten, er kümmere sich darum.
    Er scheppert eine ganze Weile geschäftig im Nebengelass herum, erscheint dann mit einem Gartenschlauch, der aber nicht so recht an den Wasseranschluß passen will.
    Also sucht unser Tankwart erst noch einen Draht, mit dem er den Schlauch am Wasserhahn feströdelt.
    Bewaffnet mit Schlauch und Schwamm putzt er ausgiebig die Scheibe, fragt, ob das so ok ist, als ich bejahe schüttelt er den Kopf und putzt die Scheibe noch einmal.
    Irgendwann ist er tatsächlich fertig und wünscht uns "Gute Fahrt!" Mein Trinkgeld lehnt er dankend ab, schließlich sei so etwas Service am Kunden.
    Begreife einer die Kreter.


    An einem späten Nachmittag verschlägt es uns nach Myli.
    Wir stöbern ausgiebig im Dorf herum, nachdem wir uns am maroden Charme der verfallenen Häuser (die übrigens Stück für Stück saniert werden) sattgesehen haben,
    kehren wir noch gegen den Durst in Evangelos' Taverne ein.
    Wir nehmen auf der wackligen Nordterrasse Platz, außer einem weiteren Pärchen sind wir die einzigen Gäste.
    Wir kommen ins Gespräch, setzen uns schließlich zusammen und philosophieren über Gott und die Welt.
    Evangelos sitzt derweil, die Füße hochgelegt, mit einem Fernglas neben dem Tresen und beobachtet die Schlucht. Langsam beginnt es, zu dunkeln.
    Plötzlich steht Evangelos neben uns, fragt ob wir noch etwas haben möchten und würde gern kassieren, weil er Feierabend machen möchte.
    Wir bestellen also noch eine Runde, zahlen, Evangelos schließt den Laden ab und verschwindet in der Dunkelheit.
    Wir sitzen noch eine ganze Weile, reden und lassen die Atmosphäre auf uns wirken. Die Myli-Schucht im Mondschein hat etwas Mystisches.
    An diesem Abend steht endgültig fest, daß wir wiederkommen werden



    Ich hoffe, ich habe Euch nicht zu sehr gelangweilt.

    VG Thomas
    Geändert von Anja&Thomas (22.September.2013 um 07:01 Uhr)
    VG Anja & Thomas
    Holzwege eröffen einem oft neue Perspektiven. Allerdings enden sie über kurz oder lang im Wald.


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