So, nun waren wir beide also wieder voll in Lohn und Brot. Tolis und seine deutsche Freundin, ich glaube sie hieß Iris und stammte irgendwo aus dem Norden Deutschlands, waren wirklich sehr nette und angenehme Zeitgenossen in etwa dem gleichen Alter wie wir, so um die 25 .
Unsere neue , vorläufige Bleibe war ein wirklich schmuckes Steinhaus mit einem schönen Garten, teils verwildert, aber teilweise auch durch die liebevolle Pflege der Hausherrin eine prachtvolle Blumeninsel. Wir fühlten uns sofort heimisch, das Zusammenleben von uns Vieren war ähnlich wie in einer WG. Wir durften die Nächte in deren Wohnzimmer schlafen. Auch Hector fand in dem Hund von Tolis einen tollen Spielkameraden.
An die erste Nacht kann ich mich noch besonders gut erinnern. Die Gastgeber hatten sich bereits in ihr Schlafzimmer zurückgezogen und Dave und ich breiteten unsere Schlafsäcke auf dem Wohnzimmerboden aus. Wir bekamen fast einen Herzinfarkt als sich unversehens eine grüne Schlange einen Weg durch die Möbelstücke suchte. In den Orangenhainen hatte ich des öfteren Kontakt mit diesen Viechern, aber da mußte man ja immer damit rechnen, aber in einem Haus? Nun war uns gar nicht mehr zum Schlafen zu Mute. Total verstört holten wir Tolis um ihm unsere Entdeckung zu zeigen. Ganz gelassen beruhigte er uns und meinte nur, wir sollten uns an ihr nicht stören, sie sei so etwas wie ein Haustier das jeden Abend ihren "Rundgang" durch das Haus machen würde. Sie sei aber ungiftig und völlig harmlos. -Na dann gute Nacht-
Die erste Zeit war uns gar nicht wohl bei dem Gedanken an unsere Mitbewohnerin, aber im Laufe der Zeit gewöhnten wir uns an sie.

Unsere Arbeit bestand darin, die von zumeist weiblichen Helferinnen geernteten Trauben in Kisten und Körben zwischen den Rebstöcken hindurch zu einem großen Sammelplatz zu tragen. Dieser war wie ein großes Feld. Und zu meiner Überraschung wurden die Trauben nicht zu Wein verarbeitet. Nur ein geringer Prozentsatz der Ernte wurde zur Weinherstellung verwendet, glaube ich jedenfalls noch so in Erinnerung zu haben.
An diesem großen, freien Platz legten wir die Reben auf Netzen am Boden aus.Dort wurden sie von der Sonne zu Rosinen getrocknet. In diesen Wochen der Ernte sieht die Gegend um Archanes wie ein bunter Fleckenteppich aus. Überall verwandeln die Trauben, die je nach Austrocknungsgrad von hellem Grün in gelb, rot, braun und dunkelbraun übergehen, dise schöne Landschaft in ein farbenfrohes Naturgemälde.
Die Winzer und Weinkenner unter Euch mögen meine nichtfachmännische Ausdrucksweise nachsehen.

Tolis war ein sehr gebildeter und an allem interessierter junger Kreter, und so verbrachten wir die warmen Nächte in seinem Garten mit interessanten Gesprächen und Diskussionen in englischer Sprache. Dabei erfuhren wir viel über Traditionen der Kreter, aber auch über die Sehnsüchte und Zukunftsgedanken der jüngeren Generation. Ich erinnere mich noch heute gerne an die gemütlichen Abende mit den intensiven Gesprächen und der guten Bewirtung der Beiden.
Wenn es die Zeit zuließ machte Tolis meist sonntags mit uns Ausflüge in die nähere Umgebung, speziell nach Archanes. Er war ein wirklich großzügiger und bemühter Arbeit- und vor allem Gastgeber -und er sah in uns nicht nur die billige Arbeitskraft!
Es war einfach eine wundervolle Zeit in einer sehr freundschaftlichen und harmonischen Atmosphäre.

Einen gibt`s dann noch.
Gruß Robert, wie ich bei Tolis wieder genannt wurde.