Vor weinigen Tagen hatte ich das Gefühl, mal wieder in vergangenen Zeiten zu stöbern, alte Reisefotos rausholen zu müssen und die dazugehörigen Unterlagen zu lesen. Schon erstaunlich, was dabei manchmal zu Tage gefördert wird, sehr viele, aus heutiger Sicht, schöne und auch einige weniger schöne Erinnerungen. Eine meiner schönsten Urlaubserfahrungen war sicherlich Schottland, ein Land voller unbändiger, schöner Natur sehr vieler Schafe und rauher, aber herzlicher Menschen, nicht unähnlich den Kretern. Und auch in Schottland wird immer mal wieder der Ruf nach Unabhängigkeit von England laut, so wie die Kreter es immer mal wieder propagieren.
Aus unseren Aufzeichnungen habe ich diesen kleinen Reisebericht zusammen gefasst.
Manchmal, manchmal hat man das Gefühl, etwas tun zu müssen, was nicht jeder macht. Manchmal glaubt man, ausbrechen zu müssen aus dem öden Alltag und mal etwas ganz anderes zu machen.
So gings vor 19 Jahren meiner Freundin, damals Soziologiestudentin, und mir, damals auf´m Laster unterwegs, immer einsam und alleine.
Sommer 1990, damals noch jung, sportlich und dynamisch, haben meine damalige Freundin (heute sind wir allerbeste Freunde) und ich endlich einen Entschluss umgesetzt, den wir bereits ein Jahr lang vorbereitet haben.
Es sollte nach Schottland gehen, was möglich war sollte zu Fuß erledigt werden, wo es ging sollte außerhalb von Dörfern und Städten in den Low- und Highlands geschlafen werden, Zeit war ausreichend eingeplant und so ging es also im Juli los.
Fertig für die Abreise
Ausrüstung und Rucksäcke wurden vorbereitet und gepackt, Fahrkarten für Bahn und Fähre geholt und los gings. Unterwegs wurden noch einige Aufgaben verteilt, so sollte Silke Tagebuch führen und ich im Wesentlichen für Fotos sorgen, was mehr mehr schlecht als recht gelang.
Ab Hamburg mit der Bahn erst mal zur Fähre nach Holland, von wo aus die Fähre über Nacht nach England ging.
Weiter ging´s mit dem Frühzug dann nach London, zum Central, nicht gerade angenehm, im Berufsverkehr bepackt mit Rucksäcken, die zwischen 20 (der meiner Freundin) und 30 Kg wiegen....
Aber auch das klappte, dank der englischen Mentalität, sich tatsächlich auch auf Rolltreppen anzustellen.
Unsere erste schottische Station sollte dann die schottische Hauptstadt Edinburgh werden. Geschlafen wurde dort auf dem örtlichen Campingplatz, eine erste Dusche nach dem Aufbau des kleinen Zeltes war nötig.... nach fast zwei Tagen "ohne"....<müffel...>
die Lowlands
Später, als erstes "Training" sozusagen, wurden erst einmal Stadt und örtliche kleinere Hügelchen erkundet.
Karte studieren gehört immer dazu
Für uns gänzlich neu war die Form der Schotten, sogar im Sommer Ski zu fahren, auf Matten gings den kleinen Abhang runter und auch der Lift war in Betrieb....
Eindrücke aus Edinburgh
Nach zwei Tagen hatten wir genug von der Stadt, unser Weg sollte uns zunächst einmal an die nördliche Küste führen. Als Zielort wählten wir Lossiemouth, ein kleines Küstenstädchen mit kleinem, aber feinem Campingplatz.
Von dort aus wollten wir dann zunächst einmal die nähere Umgebung erkunden. Also fuhren wir per Bahn hoch, buchten uns auf dem Campingplatz ein und genossen einige Tage Ruhe. Vieles kam uns als Norddeutsche bekannt vor, Ebbe und Flut wie auch ausreichend Watt zum Wohlfühlen waren vorhanden.
Etwas gewöhnungsbedürftig das Essen.... Ausschließlich weisses Brot und seltsam schmeckende Würstchen und Aufschnitt vom Truthahn. Das war zwar nicht unbedingt unser Geschmack, aber wir haben es überlebt....
Nach einigen Tagen der Erholung beschlossen wir, uns nach Dufftown zu begeben, um dort die Destille von Glenfiddich zu besichtigen.
Gesagt, getan, unsere "komfortable" Unterkunft wurde ebenso wie alles andere zusammen gepackt und in die Rucksäcke verstaut. Und los gings.
Da die Gesamtentfernung "nur" rund 35 Kilometer beträgt, entschlossen wir uns zu einer "gemütlichen" Wanderung.... Was wir leider beide nicht bedacht haben ist die Tatsache, daß wir zwar seinerzeit beide sportlich waren, aber auf diese Art der Belastung nicht wirklich vorbereitet waren. Und so kam es wie es kommen musste.
Anfangs ging es noch recht gut und bequem, aber der Weg wurde immer länger, die Beine immer schwerer und die Rucksäcke.... man hatte das Gefühl, man trägt Bleibarren.... Dennoch erreichten wir unser Ziel, am zweiten Tag....
Die Nacht verbrachten wir auf irgendeinem Feld in den Highlands, weit und breit kein Zaun, kein Bauer, einfach nichts und niemand, den wir hätten fragen können, ob´s ok ist, wenn wir unser Zelt aufbauen.
Da auch unsere Wasservorräte zur Neige gingen, mussten wir uns aus einem Bach bedienen, von dessen Sauberkeit wir allerdings nicht wirklich überzeugt waren.
Aber.... gut vorbeitet ist halb gewonnen, Spezialfilter war dabei und so wurden erst einmal die Flüssigkeitsvorräte gefüllt, bevor auch nur der geringste Gedanke an Essen aufkam.
Am nächsten Morgen gings dann in aller Frühe weiter und bereits nach einigen Stunden erreichten wir Dufftown. Hier konnte man lt. Reiseführer im Uhrenturm bewacht seinen Rucksack abstellen, auf Backpacker war man seinerzeit in Schottland gut vorbereitet.
Nachdem wir so weit alles geregelt hatten, gings also in die Destille. War schon ein Erlebnis, denn gerade diese Destille ist auch heute noch die einzige
Highland Single Malt Destillerie, in der vom Destillat über den Reifeprozess bis hin zum Abfüllen alles an einem Ort stattfindet.
Da wir an dem Tag nicht mehr zurück wollten, fragten wir in der örtlichen Tourist Office nach, wo man denn im Zelt schlafen können. Man empfahl uns, einen Bauern etwas außerhalb zu fragen, ob wir auf einem seiner Felder nächtigen dürfen.
So stapften wir wieder vollbepackt einige Kilometer bergauf raus aus dem Ort bis zu jenem besagtem Bauern und fragten nach.
War überhaupt kein Problem, in der Nähe waren mehrere Brachflächen, wo es möglich sei. Nur von der eingezäunten Wiese mit seinen Highlandrindern sollten wir uns fern halten, diese wären unberechenbar. Konnten wir zunächst gar nicht glauben, die sahen wirklich friedlich aus. Dennoch befolgten wir seinen Rat.
friedlich sehen sie aus...
Morgens gings dann zurück nach Dufftown und wir beschlossen, erst mal den Bus zurück nach Elgin zu nehmen und dort weiter zu schauen.
Gesagt, getan, noch einen kurzen Rundgang durch Elgin, nicht wirklich lohnenswert, gemacht und weiter mit dem nächsten Bus nach Inverness.
Das nette Städtchen ist bekannt durch den River Ness, der im Loch Ness endet (Nessie....). Dort sollte es lt Reiseführer auch einen Campingplatz geben. Was wir vorfanden, war der luxuriösiste, zugleich teuerste, Campingplatz, den wir je sahen. Alles war extrem sauber und ordentlich, Caravanfahrer stellten ihre Wohnwagen absolut korrekt und schnurgerade ab, für Backpacker gab´s am Rande eine größere Ecke, in der man duldete, daß sie etwas unordentlicher ist...
Schnell fanden wir Anschluss an andere Backpacker und wir beschlossen, einige Tage zu bleiben. Schließlich war Zeit genug vorhanden und wir wollten hören, was andere so erlebt haben und noch vor hatten.
Nach einer ausgiebigen Dusche, der ersten seit Tagen (man müssen wir gemüffelt haben....), saßen wir bereits am ersten Abend mit den anderen Rucksackreisenden mit Grill und Klampfenmusik zusammen und tauschten uns aus. Das funktionierte zwar nur über englisch, aber nachdem wir nun schon mehr als eine Woche ausschließlich mit dieser Sprache konfrontiert waren, funktionierte das wieder tadellos, obwohl die Schulzeit ja nun zumindest bei mir schon deutlich einige Jahre her war.
Es wurde sich rege über Örtlichkeiten diskutiert und die anderen Rucksackreisenden kamen tatsächlich von überall her, die weitesten kamen aus den Staaten und Australien.
Am nächsten Tag gings erst mal zu Fuß nach Inverness, wenn man schon mal in der Stadt war und endlich mal kein Gepäck dabei hatte, wollte man wenigstens was sehen. Da die Stadt zu groß ist, um viel an einem Tag zu sehen, verteilten wir das, was wir uns aus dem Reiseführer rausgesucht hatten und als sehenswert bewerteten, über mehrere Tage.
Inverness - schönes Städtchen
Nach ein paar Tagen kam abends ein neues Paar in die Runde der Backpacker. Die erzählten uns allen von der im Westen vorgelagerten Insel Skye, die zu den inneren Hebriden gehört und wie schön es dort ist.Wir hörten interessiert zu, lasen am nächsten Tag einiges über Skye im Reiseführer und beschlossen, da wollen wir auch hin. Wir wussten zu dem Zeitpunkt nicht, wie sehr es uns dort gefallen würde und daß wir dort lange bleiben würden....
Also gingen wir nachmittags los um uns für den nächsten Tag Zugtickets nach Kyle zu besorgen. Von dort fährt die Fähre rüber nach Kyle of Lochalsh auf Skye. Seit 1995 gibt´s hier eine Brücke.
Die Zugfahrt war nicht wirklich aufregend, wenn man mal von der tollen Landschaft absieht, durch die der Zug fährt. Angekommen in Kyle hieß es dann erst einmal warten auf die Fähre, die zwar oft fährt aber irgendwie nie dann, wenn man ankommt. Skye kann man schon sehr gut sehen, die Entfernung beträgt nur einige wenige Kilometer.
Bucht von Kyle und Fähren
Endlich auf Skye angekommen, stellte sich für uns dann die Frage, wie wir nach Portree (Hauptort von Skye) kommen, Bus oder zu Fuß? Wir entschlossen uns, auf den Bus zu warten.
Nach kurzer Fahrt kamen wir in dem netten Hafenstädtchen Portree an, klein aber fein. In der Tourist Office erkundigten wir uns nach dem örtlichen Campingplatz und.... nun mussten wir doch mal wieder wandern. Aber die Entfernung war überschaubar, gerade mal 6 Kilometer sind´s, wenn auch durchgehend bergauf.
Dort angekommen stellten wir zu unserer Überraschung fest, der Campingplatz war eher ein Feld mit einem Waschhaus, auf dem sich jeder dort mit seinem Zelt oder Wohnwagen einrichtete, wo er gerade Platz fand. Dafür war es für schottische Verhältnisse extrem günstig. Der Stimmung brachte das allerdings keinen Abbruch, wir waren noch erschlagen von der Zugfahrt und den vielen neuen Eindrücken. Also schnell aufgebaut, kurz was gegessen und erst mal schlafen.
Am nächsten Morgen gings erst mal in die "Stadt", Vorräte auffüllen und ein wenig umschauen.
Als wir nachmittags zurück kamen, stellten wir fest, daß fast direkt an unserem Zelt ein absolut identisches zweites stand, daneben ein Motorrad mit deutschem Kennzeichen.
Schnell lernten wir das Paar kennen, junge Leute wie wir, die Schottland allerdings mit dem Motorrad bereisen. Man tauschte sich reichlich über Ausflüge und Empfehlenswertes (z.B. den örtlichen Pub) aus und so erhielten wir die Empfehlung, auch mal den Norden von Skye zu besuchen, was wir auch taten. Die Insel ist wirklich mit das Schönste, was ich bis dato gesehen habe. Sehr grün, sehr einsam, viel Wasser, obwohl wir Glück hatten und ein für schottische Verhältnisse regenarmes Jahr erwischt haben, schroffe Küstenlinien und wirklich ein Traum.
Wir blieben zwei Wochen auf der Insel. Am liebsten wäre ich länger geblieben, aber Silke wollte auch noch eine Woche in London (das ist nicht Schottland, da wollte ich auch nicht hin...) verbringen.
So fuhren wir dann nach zwei Wochen also wieder mal Zug, diesmal die Westroute über Glasgow.
In London angekommen, mussten wir auch dort mal wieder mit dem Bus in einen Randbezirk fahren, da auch in London fast alle Campingplätze außerhalb liegen.
London...
Wir hatten Glück, für ein Zelt findet man immer einen Platz. Auf dem Platz in London lernten wir noch zwei Brüder aus Deutschland kennen, die zu Fuß auf dem Weg nach Irland waren. Auch nicht schlecht, dachten wir uns, würde uns auch mal reizen. Gemacht haben wir es leider nie....
Nach knapp einer Woche London, ok ok, so schlecht ist die Stadt auch nicht, ging es dann mit der Schnellfähre über den Kanal nach Frankreich und weiter mit dem Zug nach Paris. Leider endete der Zug dort und wir erlebten die wohl härteste Nacht unseres Urlaubs.
Ein Zug Richtung Deutschland fuhr in der Nacht nicht mehr und so saßen wir also im Bahnhof.
Dort lernten wir dann eine Spanierin, einen Portugiesen und zwei Briten kennen, Rucksackreisende wie wir,die ebenso wir wir gestrandet waren. Leider kam um Mitternacht die Bahnhofswache und informierte uns, daß wir den Bahnhof nun verlassen müssten, da dieser nachts abgeschlossen wird...
So was hab ich noch nie erlebt....
Nun gut, wir verließen also alle gemeinsam den Bahnhof und fanden in der näheren Umgebung einen eingezäunten Kirchenvorplatz, zwar verschlossen, aber das gab uns ein Gefühl von Sicherheit. Also rüber über den Zaun und dort gemütlich eingerichtet.
Was für eine Nacht
Am nächsten Morgen dann wieder zurück zum Bahnhof und hier trennten sich die Wege von unseren "Leidensgenossen" und uns. Wir nahmen einen Zug nach Brüssel, von wo aus uns ein anderer Zug dann endlich zu unserem Ziel Ulm bringen sollte, wo wir bereits von Silkes Eltern erwartet wurden und wo wir ein paar letzte Erholungstage in Illertissen verbrachten, bevor es endlich wieder in den heimatlichen Norden ging.
geschafft und glücklich....
So endete ein langer sehr schöner Sommer, der teils sehr anstrengend war aber Erlebnisse und Erfahrungen mit sich brachte, die ich heute nicht mehr missen möchte.