Hallo und Danke für den Ansporn weiterzumachen,
seit ich damit begonnen alles aufzuschreiben, bin ich in Gedanken - und auch gefühlt - ein zweites Mal dort.
Samstag, 10.10.09
Mit kribbeligen Gefühl und einem erstmals schon eher schweren Rucksack ging es den Schotterweg entlang. Der Weg verlief leicht absteigend aber insgesamt doch relativ eben. Eine Kehre ließ sich auf einem schmalen Pfad abkürzen doch ansonsten war der Weg zunächst wenig anspruchsvoll. Gut zum Warmwerden. So konnte ich mich auch langsam an die neuen Gewichtsverhältnisse gewöhnen und die Ausblicke genießen. Immer wieder auch zurück zur Hütte.
Nach den ersten Kilometern war auf der rechten Seite des Weges ein Pavillon zu sehen. Etwas erstaunt, so was hier anzutreffen war ich schon. Aber die Botschaft war ganz klar: Rast machen! Dies tat ich dann auch ausgiebig, ließ mir Zeit und las in meinem „schlauen“ Wanderbüchlein und warf einen Blick auf meine Karte. Ich hatte eine alte Harms-Ausgabe im Maßstab 1:100 000 dabei. Nicht gerade toll zum Wandern. Auf der Hütte konnte ich dagegen die aktuellen Karten des griechischen Anavasi Verlags einsehen. Maßstab 1:25 000. Welch Unterschied. Begehrlichkeiten waren geweckt, ich liebe gute Landkarten.
Das Schultern des Rucksacks ging mittlereile nicht mehr ganz so leicht. Die Sitzbank des Pavillons kam mir daher ganz gelegen. Beim Heraustreten fiel mein Blick dann tatsächlich erstmals auf die gegenüber liegende E4-Wegmarkierung. - Aha! Jetzt wurde es also ernst! Damit war mir auch klar, warum gerade hier dieser Pavillon steht. Es ging nun ziemlich steil den Hang hinauf. Die Wegmarkierungen sind jedoch sehr gut, immer wieder gelb-schwarze Farbmarkierungen auf den Steinen und an markanten Stellen Stangen mit den E4 Blechschildern. Für das Steigen in felsigem Gelände habe ich so meine eigene Technik entwickelt. Nach einem Schritt den anderen Fuß nicht gleich im nächsten Schritt aufsetzen, sondern ihn in der Höhe des ersten Fußes für einen Atemzug lang in der Luft halten, ausbalancieren und erst dann sicher aufsetzen. Damit lässt es sich stetig steigen ohne aus dem Atem zu kommen. - Ich merke schon, das klingt ziemlich schräg – funktioniert aber.
Der Weg näherte sich dem Melindaou und damit auch dem höchsten Punkt meiner heutigen Etappe. Der Anstieg verlief zunächst entlang des Westgrates und bot wunderbare Ausblicke. Ich konnte das Meer im Norden sehen, Chania und die umgebenden Halbinseln. Umrisse, die ich unzählige Male auf der Landkarte gesehen habe. Und jetzt so, in echt – nur schön!
Ich hielt oft an, Pause machen und die Schönheit um mich rum aufsaugen. Anderen Wanderern bin ich nicht begegnet. Nur beim Wechseln auf die Südseite des Melindaou sah und hörte ich am Gipfel Jäger. Die Schüsse waren noch einige Zeit zu hören und ganz kurz drängte sich mir der Gedanke auf, ob die hoffentlich alle gut sehen? - und mich nicht etwa mit einem ganz besonders großen Stück Wild verwechseln? - Aber wie gesagt, das war nur ganz kurz und schnell wieder verdrängt.
Das letzte Stück meiner heutigen Etappe zog sich dann etwas. Es ging noch einige Male auf und ab. Nach jedem Anstieg war ich voller Erwartung, jetzt ganz bestimmt den Talboden von Katsivelli sehen zu können. Als ich dann ankam war ich glücklich und gleichzeitig überrascht wieder Menschen zu treffen. Etwas oberhalb der Ruinen im Talboden liegen zwei runde aus Steinen aufgeschichtete Schäferhütten. Matratzen waren in die Sonne gestellt und ein Mann und eine Frau sonnten sich davor. Ich stieg hoch zu ihnen und begrüßte die Beiden. Ein englisches Paar, die von Anopolis hochwanderten und eigentlich weiter unterhalb in der Schäferhütte bei Rousies übernachten wollten. Diese sei jedoch vom Schäfer „belegt“ gewesen und so seien sie auf diese hier ausgewichen, erzählen sie mir. - Na ja, denke ich mir, ob das den Schäfern so recht ist. So einfach ihre Hütte und Matratze zu benutzen? Sie wirken auf mich etwas erleichtert nachdem sie hören, dass ich unten im Talboden in meinem Zelt übernachten werde. Sie befürchteten wohl, ich würde ihre Zweisamkeit stören und ebenfalls zu ihnen in die Schäferhütte kommen.
Der Platz im Talboden eignet sich ganz vorzüglich für ein Zelt. Die Mauern der Ruinen bieten einen guten Windschutz und der Platz ist fast vollkommen eben. Bald habe ich mein Lager aufgebaut und zelebriere mein Abendessen. Brot, salziger Käse und die köstlichen Äpfel. Die Sonne wird bald untergehen und ich genieße die letzten Strahlen. Die Blasen an den Füßen haben sich mittlerweile geöffnet .Ich gehe barfuß um Luft dran zu lassen.
Es wird schnell kalt nachdem die Sonnte untergegangen ist. Erstmals brauche ich meinen Vlies und die Jacke. Obwohl es noch recht früh ist krieche ich in das Zelt, lege mich in den Schlafsack und genieße es, zu liegen und die Gedanken treiben zu lassen. In die Stille zu lauschen und ganz langsam in den Schlaf zu gleiten.